VwGH: Civil rights und Erfordernis einer mündlichen Verhandlung
Ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt und wirft die Beschwerde ausschließlich Rechtsfragen auf, so ist eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich
Art 6 EMRK, § 39 Abs 2 Z 6 VwGG
GZ 2011/06/0002, 03.10.2013
VwGH: Gem § 39 Abs 2 Z 6 VwGG kann der VwGH ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem VwGH vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und wenn Art 6 Abs 1 EMRK dem nicht entgegensteht.
Der EGMR hat dargelegt, dass der Bf grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies iZm Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.
Der EGMR hat in Weiterführung seiner bisherigen Jud dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung iSd Jud des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.