OGH: Die Handlung des Erfüllungsgehilfen muss im Kontext mit den Vertragspflichten des Schadenersatzpflichtigen stehen
Die Handlung des Erfüllungsgehilfen ist nur jenen Schadenersatzpflichtigen zuordenbar, für die ein Kontext mit den Vertragspflichten besteht; daher ist das Fehlverhalten des Hubschrauberpiloten, das zum Seilbahnunglück in Sölden führte, zwar dem Bauunternehmen zuzurechnen, nicht aber dem Seilbahnunternehmen
§§ 1295 ff ABGB, § 1313a ABGB
GZ 2 Ob 4/13x, 17.06.2013
Das Seilbahnunglück am 5.9.2005 in Sölden wurde ausgelöst, weil ein Hubschrauber mit Außenlast entlang der Seilbahnstrecke geflogen ist (um nicht durch herabtropfendes Betonwasser Wanderer oder Skifahrer zu stören) und durch einen technischen Defekt seine Last verloren hat. Der Hubschrauberpilot wurde strafrechtlich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Hier war das Bauunternehmen, das für das Seilbahnunternehmen ua Betonfundamente errichten sollte, beklagte Partei und es ging um die Zurechnung des Hubschrauberpiloten bzw des Hubschrauberunternehmens als Erfüllungsgehilfe.
OGH: Für die Beurteilung der Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB ist maßgebend, ob der Gehilfe bei der Verfolgung der Interessen des Schuldners tätig war; dh ob er in das Interessenverfolgungsprogramm des Schuldners und damit in seinen Risikobereich einbezogen war. Das Mindest-Zurechnungskriterium des § 1313a ABGB ist, dass der Beklagte das schuldhafte Verhalten des Dritten im Kontext mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlasste. Der Erfüllungsgehilfe wird schon deshalb zur Haftungssphäre des Schuldners gezählt, weil dieser jenen in die Verfolgung seiner geschäftlichen Interessen selbst einbezogen und auf diese Weise zugleich das schuldhaft-schädigende Verhalten des Herangezogenen (adäquat) verursacht hat. Im Einzelfall hängt die Frage, wozu der Schuldner tatsächlich verpflichtet ist, vom konkreten Vertrag und von der durch Vertragsauslegung zu bestimmenden konkreten Pflichtenlage ab. Bedient sich ein Erfüllungsgehilfe des Schuldners seinerseits eines Erfüllungsgehilfen (Erfüllungsgehilfenkette), so bedient sich auch der Schuldner dieser zweiten Person als seines Erfüllungsgehilfen und haftet für dessen Verschulden, wenn er mit der Betrauung eines weiteren Erfüllungsgehilfen einverstanden war.
In einer zum selben Sachverhalt ergangenen Entscheidung (2 Ob 215/07t) wurde die Ablehnung der Erfüllungsgehilfenhaftung der hier klagenden Parteien für das auch hier gegenständliche Pilotenverschulden für vertretbar erachtet; dies aber aus dem Beförderungsvertrag mit den Seilbahnpassagieren und nicht aus dem Werkvertrag mit dem Bauunternehmen. Tatsächlich umfasste der dort relevante Beförderungsvertrag keinerlei Verpflichtung zur Herstellung von Betonfundamenten für eine Telekommunikationskabelverbindung, während der hier maßgebliche Werkvertrag zwischen Erstklägerin und Erstbeklagter sehr wohl auch die Anlieferung des zu verarbeitenden Betons umfasste. Wenn in der genannten Entscheidung ausgeführt wurde, dass ein Zulieferer von Rohstoffen oder Bestandteilen regelmäßig nicht als Erfüllungsgehilfe des Produzenten angesehen werde, so trifft dies jedoch dann zu, wenn die Anlieferung des Materials - wie hier - allein Sache des Werkunternehmers ist und als Bestandteil des Werkvertrags zu erachten ist.