23.08.2014 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zum Begriff des „Eingliederungsprogramms“ in § 1 Abs 4 Z 1 AÜG

Die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 Z 1 AÜG erfordert spezifische, auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtete und auf deren Bedürfnisse abgestimmte berufliche Programme, die der Ausbildung, Eingliederung oder Umschulung dienen; ein Eingliederungsprogramm liegt dann vor, wenn es nach seiner Konzeption funktional auf die Förderung der Beschäftigung des Arbeitssuchenden ausgerichtet ist


Schlagworte: Arbeitskräfteüberlassung, Leiharbeit, Eingliederungsprogramm
Gesetze:

§ 1 AÜG, §§ 10 ff AÜG, Art 1 RL 2008/104/EG

GZ 9 ObA 124/13w, 19.12.2013

 

OGH: Die Überlassung von Arbeitskräften im Rahmen eines öffentlichen oder von öffentlichen Stellen geförderten spezifischen beruflichen Ausbildungs-, Eingliederungs- und Umschulungsprogramms ist gem § 1 Abs 4 Z 1 AÜG vom Geltungsbereich der §§ 10 bis 16a AÜG ausgenommen. Die Zulässigkeit dieser Ausnahme ergibt sich aus Art 1 Abs 3 der RL 2008/104/EG über Leiharbeit.

Maßgeblich für die Anwendung der Ausnahmebestimmung ist ein öffentliches oder von öffentlichen Stellen gefördertes „spezifisches berufliches Ausbildungs-, Eingliederungs- und Umschulungsprogramm“, wobei für den vorliegenden Fall nur ein gefördertes „spezifisches berufliches Eingliederungsprogramm“ in Frage kommt. Dieses muss aber höhere Voraussetzungen erfüllen als das reine Angebot eines - gegebenenfalls auch gemeinnützigen - Leiharbeitsunternehmens, Arbeitssuchende mit dem Ziel der Vermittlung und Überlassung an einen bestimmten Beschäftiger anzustellen und dafür die notwendigen Kontakte und Informationen bereitzustellen.

Der Begriff „Programm“ legt ein Verständnis dahin nahe, dass eine berufsorientierte planvolle Konzeption von Strategien und Maßnahmen zur Erreichung eines bestimmten größeren und deshalb zu planenden Zieles vorliegen muss. Dieses Ziel liegt hier in der „Eingliederung“ (in der englischen Sprachfassung der Richtlinien: „integration“) eines Arbeitssuchenden in eine Beschäftigung, von der er bisher ausgeschlossen war. Ein derartiges öffentliches oder öffentlich gefördertes spezifisches Eingliederungsprogramm muss intentional und funktional auf die Beschäftigung des Arbeitssuchenden, nicht aber auf eine Bedarfsdeckung beim Überlasser ausgerichtet sein. Anders als bei einer bloß vermittelnden Überlassungstätigkeit bedarf es dazu nicht nur jener Informationen über einen Arbeitssuchenden, wie sie jede Arbeitsvermittlung erfordert, sondern auch der Kenntnis integrationsspezifischer Ursachenzusammenhänge und allenfalls auch zielorientierter Förder- und Begleitmaßnahmen.