VwGH: § 30 Abs 2 VwGG – Auferlegung von Duldungsverpflichtungen an die Bf hinsichtlich der Errichtung einer Abwasserbeseitigungsanlage und Verlängerung der Baufertigstellungsfrist für die genannte der mitbeteiligten Partei zur Errichtung und zum Betrieb bewilligte Anlage
Das öffentliche Interesse an der Reinhaltung der Gewässer ist in hohem Maße schützenswert, stellt aber kein zwingendes öffentliches Interesse dar; für die Einstufung dieses Interesses als zwingend iSd § 30 Abs 2 VwGG bedürfte es nämlich des Hinzutretens weiterer Umstände, wie etwa der erforderlichen Abwehr einer drohenden Gefahr für die Gesundheit von Menschen; die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kommt nur dann in Frage, wenn für die Bf selbst und nicht für Dritte mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre; vermeintlich rechtsmissbräuchliches Verhalten kann bei der Beurteilung der mit der sofortigen Vollstreckung verbundenen Nachteile nicht berücksichtigt werden
§ 30 VwGG, § 72 WRG
GZ AW 2013/07/0080, 18.02.2014
Ihren Antrag, dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, begründeten die Bf damit, dass zwingende öffentliche Interessen einer Bewilligung der aufschiebenden Wirkung offenkundig nicht entgegenstünden. Vielmehr entstünden durch den Beginn der Bauführung den Bf und der angrenzenden Bevölkerung unverhältnismäßige und unwiederbringliche Nachteile und Schäden. So komme es zu erhöhter Verkehrs-, Lärm- und Staubbelastung für die Bf sowie die umliegende Bevölkerung. Es würden massive Flurschäden und Fahrbahnschäden verursacht. Die Güterwege seien für derart schweren Verkehr mit Baustellenfahrzeugen nicht geeignet und ausgelegt. Sie seien nur einspurig befahrbar und es komme zu einer kaum bewältigbaren Verkehrssituation. Eine gesetzwidrige Bauführung hätte jedenfalls erhebliche Beeinträchtigungen der psychischen und physischen Gesundheit der umliegenden Bevölkerung (Lärm-, Staub- und Feinstaubbelästigung) sowie Verunreinigungen der Luft zu Folge. Es werde zudem eine nicht mehr dem derzeitigen Stand der Technik entsprechende Abwasserbeseitigungsanlage errichtet, weil sich seit dem Jahr 2005 der Stand der Technik erheblich geändert habe. Dieser Umstand werde im Falle der Errichtung der Abwasserbeseitigungsanlage überhaupt nicht berücksichtigt. Dies bedeute, dass eine erhebliche Gefahr für das unterhalb der Liegenschaft der Bf befindliche Quellwasser bestünde, welches als Trinkwasser sowie als Tränke der Tiere des Hofes des Erst-bf diene. Die Trinkwasserqualität könne durch die derzeit bewilligte Anlage nämlich nicht garantiert werden. Es drohten sohin nicht wiedergutzumachende Nachteile, die geeignet seien, den vom VwGH zu klärenden Rechtschutz zu beeinträchtigen. Für den Bf sowie die umliegende Bevölkerung entstünden jedenfalls unverhältnismäßige Nachteile.
VwGH: Vorauszuschicken ist, dass sich aus der Begründung des Aufschiebungsantrages ergibt, dass sich dieser nur gegen den Teil des angefochtenen Bescheides richtet, mit dem im Instanzenzug die Duldungsverpflichtung gegenüber den Bf ausgesprochen wurde.
Die Errichtung der wasserrechtlich bewilligten Abwasserreinigungsanlage, die die derzeit vorhandene 3-Kammer-Absetz- und Schlammspeicheranlage mit anschließender Versickerung in den Untergrund ersetzen soll, dient dem öffentlichen Interesse an der Reinhaltung der Gewässer. Das öffentliche Interesse an der Reinhaltung der Gewässer ist in hohem Maße schützenswert, stellt aber kein zwingendes öffentliches Interesse dar. Für die Einstufung dieses Interesses als zwingend iSd § 30 Abs 2 VwGG bedürfte es nämlich des Hinzutretens weiterer Umstände, wie etwa der erforderlichen Abwehr einer drohenden Gefahr für die Gesundheit von Menschen. Solche Feststellungen wurden im angefochtenen Bescheid aber nicht getroffen.
Der Aufschiebungsantrag scheitert daher nicht am Entgegenstehen zwingender öffentlicher Interessen. Daraus ist für die Bf allerdings nichts zu gewinnen.
Bei der weiters vorzunehmenden Interessensabwägung nach § 30 Abs 2 VwGG sind dem öffentlichen Interesse an der Reinhaltung der Gewässer die vom Bf geltend gemachten Nachteile gegenüber zu stellen. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte zur Verlängerung des Zustands, in dem die Abwässer weiterhin über die bisher bestehende 3-Kammer-Absetz- und Schlammspeicheranlage mit anschließender Versickerung in den Untergrund erfolgen würde. Eine weitere Aufrechterhaltung dieses Zustandes widerspräche aber dem öffentlichen Interesse.
Die Bf machen nun unverhältnismäßige Nachteile im Falle des Vollzugs des angefochtenen Bescheides "für sie und für die angrenzende Bevölkerung" geltend. Dabei übersehen sie aber, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nur dann in Frage kommt, wenn für sie selbst und nicht für Dritte mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Auf Nachteile "für die angrenzende Bevölkerung" kommt es dabei nicht an.
Auch die Ausführungen der Bf iZm der wasserrechtlichen Bewilligung, zu deren Umsetzung die Duldungsverpflichtung ausgesprochen wurde, gehen am Gegenstand des hier vorliegenden Verwaltungsverfahrens vorbei. Der Bewilligungsbescheid der BH vom 13. Juli 2005 ist rechtskräftig und nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Duldungsbescheides hätte keine Auswirkungen auf den Inhalt des rechtskräftigen Bewilligungsbescheides.
Entscheidend ist vielmehr, welche Nachteile mit dem Vollzug des angefochten Bescheides für die Bf einhergingen. Die Duldungsverpflichtung, um deren Aufschub es geht, wurde detailliert formuliert und beschränkt die Dauer des Befahrens der genannten Wege, die Dauer der Bauarbeiten, die Anzahl und die Schwere der Transporte und legt ausdrücklich fest, dass die an den Güterwegen entstandenen Schäden unverzüglich wieder zu beheben sind. Eine Beweissicherung in Bezug auf den Zustand des Weges wurde angeordnet. Der Zweit-bf wurde zudem eine Entschädigung zugesprochen.
Der VwGH hat bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von einem rechtskonformen Verhalten aller betroffenen Parteien auszugehen; zudem ist die mitbeteiligte Partei bei der Ausübung der ihr eingeräumten Berechtigung an das Gebot der schonenden Ausübung von Dienstbarkeiten gebunden ist. Vermeintlich rechtsmissbräuchliches Verhalten kann somit bei der Beurteilung der mit der sofortigen Vollstreckung verbundenen Nachteile nicht berücksichtigt werden.
Die Realisierung der bewilligten Einrichtung einer zweifellos im öffentlichen Interesse gelegenen Abwasserbeseitigungsanlage überwiegt bei der vorzunehmenden Interessenabwägung die von den Bf in ihrem Aufschiebungsantrag geltend gemachten, allenfalls zu erwartenden Staub- und Lärmimmissionen.
Es bleibt offen, was die Bf meinen, wenn sie von "kaum bewältigbaren Verkehrssituationen" beim Befahren der Wege sprechen, handelt es sich doch vorliegendenfalls um typischerweise nicht stark befahrene Almwege, und um eine zeitraumbezogen stark eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit. Der Weg soll mit einem Traktorgespann und maximal für 10 Berg- und Talfahrten mit einem Fahrzeug der Kategorie bis 3,5 t befahren werden. Das Vorliegen eines unverhältnismäßigen Nachteils wird mit diesem allgemeinen Vorbringen der Bf nicht geltend gemacht.
In Bezug auf die von den Bf geltend gemachten Fahrbahnschäden ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Zustand der Güterwege beweiszusichern ist. Transporte sind nur bei Schönwetter und bei trockenen Straßenverhältnissen zulässig; Schäden sind zu beheben. Der Zweit-bf wurde eine Entschädigung zugesprochen. Angesichts dessen ist nicht zu erkennen, dass für die Bf bei der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch die mitbeteiligte Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.