OGH: Zum Erwerb einer Dienstbarkeit im Vertrauen auf den Grundbuchsstand
Auf den gutgläubigen Erwerb nach § 1500 ABGB ist nicht von Amts wegen Bedacht zu nehmen; dies gilt auch für die Verjährung eines verbücherten Rechts; dabei ist das außerbücherlich „erworbene“ Recht die Freiheit von der im Grundbuch noch eingetragenen Belastung
§ 1479 ABGB, § 1488 ABGB, §1499 ABGB, § 1500 ABGB, § 69 GBG
GZ 4 Ob 190/13i, 17.12.2013
OGH: Da die Verjährung zum Erlöschen der Dienstbarkeit führt, wird das Grundbuch dadurch materiell unrichtig. Der Eintragungsgrundsatz, wonach das Recht erst durch Einverleibung der Löschung unterginge, gilt hier - anders als bei einem Verzicht - nicht. Das ergibt sich insbesondere aus § 1499 ABGB iVm § 69 GBG: Klagt der Eigentümer des dienenden Guts auf Löschung der Dienstbarkeit, kann diese Klage angemerkt werden. Diese Anmerkung schützt den Eigentümer des dienenden Guts davor, dass ein Dritter das bereits verjährte und damit materiell erloschene Recht im Vertrauen auf den Grundbuchstand erwirbt. Der Erwerb eines gutgläubigen Dritten wäre daher kein derivativer Erwerb vom Vormann (dieser läge vor, wenn der Eintragungsgrundsatz gälte und die Dienstbarkeit daher mangels Einverleibung der Löschung noch aufrecht wäre), sondern ein originärer Erwerb des an sich nicht mehr bestehenden Rechts aufgrund des Vertrauens auf die Richtigkeit des Grundbuchs.
Grundlage eines solchen gutgläubigen Erwerbs ist § 1500 ABGB. Danach kann das „aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht demjenigen, welcher im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, zu keinem Nachteile gereichen“. Soweit sich diese Bestimmung auf die Ersitzung bezieht, erfasst sie insbesondere ersessene und damit materiell bestehende, aber (noch) nicht verbücherte Dienstbarkeiten. Geschützt wird in diesem Fall das Vertrauen auf die Vollständigkeit des Grundbuchs; insofern ist § 1500 ABGB Ausfluss des negativen Publizitätsprinzips. Bei der Verjährung ist das der Natur der Sache nach umgekehrt: Das außerbücherlich „erworbene“ Recht ist hier die Freiheit von der im Grundbuch noch eingetragenen Belastung. Geschützt wird daher das Vertrauen des Erwerbers auf die Richtigkeit des Grundbuchs.
Auf den gutgläubigen Erwerb nach § 1500 ABGB ist nicht von Amts wegen Bedacht zu nehmen, er muss vielmehr vom Erwerber eingewendet werden. Dies wurde zwar bisher nur für den Fall der Ersitzung eines nicht verbücherten Rechts ausgesprochen, es ist aber nicht erkennbar, warum die Verjährung eines verbücherten Rechts anders zu beurteilen wäre.