04.08.2014 Zivilrecht

OGH: Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB wegen groben Verschuldens der Organe der Straßenverwaltung (hier: unterlassene Warnung vor Rollsplitt, trotz bereits verursachtem Motorradunfall)

An einem ganz erheblichen Verschulden der Organe der Straßenverwaltung kann kein Zweifel bestehen, haben diese nicht einmal einen bereits erfolgten Motorradunfall zum Anlass dafür genommen, für ausreichende Warnungen der Verkehrsteilnehmer in der noch bis zur Beendigung der Arbeiten (und zur Beseitigung des Rollsplitts) verbleibenden Zeit zu sorgen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Wegehalterhaftung, gefahrenerhöhende Maßnahmen des Straßenerhalters, Straßenverwaltung, unterlassene Warnung vor Rollsplitt
Gesetze:

§ 1319a ABGB, § 98 StVO, § 1304 ABGB

GZ 1 Ob 27/14y, 22.05.2014

 

OGH: Das Berufungsgericht hat eine Haftung nach § 1319a ABGB wegen groben Verschuldens der Organe der Straßenverwaltung angenommen, die es unterlassen hatten, an geeigneter Stelle durch Gefahrenzeichen auf die gefährlichen Straßenverhältnisse aufmerksam zu machen. Dass den beteiligten Mitarbeitern die besondere Unfallgefahr - insbesondere für einspurige Verkehrsteilnehmer - durchaus bewusst war, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass entsprechende Gefahrenschilder zwar aufgestellt wurden, unverständlicherweise aber erst nach der späteren Unfallstelle (in Fahrtrichtung des Klägers). Da feststeht, dass der Rollsplitt im gesamten (über mehrere Kilometer reichenden) Arbeitsbereich erst Ende Juli beseitigt wurde, wäre es selbstverständlich geboten gewesen, im gesamten Arbeitsbereich vor den Gefahren durch Rollsplitt zu warnen. Dies musste insbesondere für den Bereich der späteren Unfallstelle gelten, sind doch die Vorinstanzen übereinstimmend von der auch im Revisionsverfahren unbestrittenen Tatsache ausgegangen, dass es dort bereits vorher zu einem Motorradunfall gekommen war, mag dieser auch - wie die Revisionsgegnerin formuliert - nicht „amtsbekannt“ gewesen sein. Die beklagte Partei hat die Gefährdungssituation durchaus erkannt und auch nicht geleugnet, sich im erstinstanzlichen Verfahren aber in erster Linie damit zu rechtfertigen versucht, es sei ohnehin vor der späteren Unfallstelle ein entsprechendes Warnzeichen aufgestellt worden. Diese Behauptung hat sich allerdings als unrichtig erwiesen, womit an einem ganz erheblichen Verschulden der Organe der Straßenverwaltung kein Zweifel bestehen kann, die nicht einmal einen bereits erfolgten Motorradunfall zum Anlass dafür genommen haben, für ausreichende Warnungen der Verkehrsteilnehmer in der noch bis zur Beendigung der Arbeiten (und zur Beseitigung des Rollsplitts) verbleibenden Zeit zu sorgen.

 

Demgegenüber fällt das Fehlverhalten des Klägers weitaus weniger ins Gewicht, der aufgrund der fehlenden Gefahrenzeichen auch darüber im Unklaren gelassen worden war, ob auch im weiteren Straßenverlauf mit Beeinträchtigung durch Rollsplitt gerechnet werden muss, den er in Annäherung an die Unfallstelle immer wieder wahrnehmen musste. Er konnte daher auch - anders als die Organe der Straßenmeisterei, die Kenntnis über den gesamten Straßenverlauf einschließlich der mit Rollsplitt versehenen Stellen hatten - den jeweiligen Gefährdungsgrad in den einzelnen Streckenabschnitten nicht einschätzen. Auch wenn er nicht darauf vertrauen durfte, dass das Einhalten einer Geschwindigkeit von 85 km/h durchgehend gefahrlos sein würde, liegt ein verhältnismäßig nur geringes Mitverschulden vor, hat er doch die Geschwindigkeit, die einen Unfall vermieden hätte (70 km/h), um nur 15 km/h überschritten.

 

In Abwägung der unterschiedlichen Grade der Sorglosigkeit auf Schädiger- und Geschädigtenseite erscheint dem erkennenden Senat eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zugunsten des Klägers angemessen (§ 1304 ABGB).