OGH: Hausdurchsuchung gem § 12 WettbG
Das Verhalten, das durch einen Hausdurchsuchungsbefehl aufgedeckt werden soll, muss kein aktuelles Geschehen, sondern kann auch ein in der Vergangenheit liegender abgeschlossener Sachverhalt sein
§ 12 WettbG
GZ 16 Ok 3/14, 06.05.2014
OGH: Gem § 12 Abs 1 WettbG hat das Kartellgericht, wenn dies zur Erlangung von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen erforderlich ist, auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde bei Vorliegen des begründeten Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen die §§ 1, 5 oder 17 KartG, Art 101 oder 102 AEUV einen Hausdurchsuchungsbefehl zu erlassen.
Begründet ist ein Verdacht dann, wenn er sich begründen, also rational nachvollziehbar dartun lässt. Dafür müssen Tatsachen vorliegen, aus denen vertretbar und nachvollziehbar geschlossen werden kann, dass eine Zuwiderhandlung gegen die im Gesetz genannten Wettbewerbsbestimmungen vorliegt. Für das Bestehen dieses Anfangsverdachts müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Bloße Spekulationen reichen ebenso wenig wie offensichtlich unbegründete oder zu vage gehaltene Verdachtsmomente.
Näheres zu Inhalt und Voraussetzungen der Anordnung einer Hausdurchsuchung enthält das WettbG nicht. Analog zu den europäischen Regelungen sind neben dem Anfangsverdacht die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme notwendig.
Die Erforderlichkeit einer Hausdurchsuchung ist nach der Judikatur an Hand des verfolgten und dem Adressaten bekannt gegebenen Zwecks zu beurteilen. Die Hausdurchsuchung muss zur Erfüllung der übertragenen Aufgaben erforderlich sein und die Prüfung der vermuteten Zuwiderhandlung ermöglichen.
Die Ermittlungen sind nicht nur auf Tatsachen beschränkt, die unmittelbar die Tatbestandsvoraussetzungen des Wettbewerbsverstoßes betreffen, sondern umfassen auch Informationen über den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem der Verfahrensgegenstand beurteilt werden muss. Zum Erreichen des Zwecks der Aufklärung des begründeten Verdachts einer Beteiligung an einem kartellgesetzwidrigen Verhalten ist eine Hausdurchsuchung im Gegensatz zu einem Auskunftsverlangen immer dann geeignet, wenn erst nach zur Aufklärung geeigneten Informationsquellen gesucht werden muss, allenfalls auch, wenn die Vollständigkeit bereits vorhandener Unterlagen geprüft werden muss.
Verhältnismäßig muss eine Hausdurchsuchung sein, weil es sich dabei um einen schwerwiegenden Eingriff in die Individualsphäre des Betroffenen handelt. Es muss deshalb an das Interesse an der Sachaufklärung durch die Hausdurchsuchung ein strengerer Maßstab angelegt werden als beim Auskunftsverlangen. Zweckmäßig ist die Nachprüfung insbesondere dann, wenn aus Sicht der Behörde Verdunkelungsgefahr besteht.
Dem Wortlaut des § 12 WettbG ist nicht ausdrücklich zu entnehmen, ob das Verhalten, das durch einen Hausdurchsuchungsbefehl aufgedeckt werden soll, ein aktuelles Geschehen sein muss, oder ob auch ein in der Vergangenheit liegender abgeschlossener Sachverhalt ausreicht.
Dass grundsätzlich auch ein in der Vergangenheit liegendes Geschehen zu einer Hausdurchsuchung führen können muss, ergibt sich schon daraus, dass nach § 33 KartG Geldbußen grundsätzlich auch verhängt werden dürfen, wenn der Antrag binnen fünf Jahren ab Beendigung der Rechtsverletzung gestellt wurde. Auch solche abgeschlossenen Verhaltensweisen dürfen daher untersucht werden. Die gegenteilige Auffassung würde die Aufklärung eines zwar schon beendeten, aber noch nicht verjährten kartellrechtswidrigen Geschehens über Gebühr beeinträchtigen und die Effizienz und Durchschlagskraft der Durchsetzung des österreichischen und europäischen Kartellrechts in Frage stellen.
Auch im Strafverfahren reicht für eine Hausdurchsuchung nach § 119 Abs 1 StPO die Annahme aus, dass ua eine Person, die einer Straftat verdächtig ist, zu finden sein könnte; die Straftat muss keineswegs noch andauern. Eine gegenteilige Interpretation führte zum widersinnigen Ergebnis, dass jedes strafbare Verhalten, das nicht in der Herbeiführung und Aufrechterhaltung eines Dauerzustands liegt, sondern nur kurz andauert, nicht mit Hausdurchsuchung aufgeklärt werden könnte.
Solange daher ein bestimmtes Verhalten als kartellrechtswidrig verfolgt werden darf, kann es auch mit allen der Ermittlungsbehörde zur Verfügung stehenden Ermittlungsmethoden erforscht werden.