07.07.2014 Zivilrecht

OGH: Einbeziehung einer an den Unterhaltsschuldner ausbezahlten Lebensversicherung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage?

Auch bei angespartem Vermögen ist grundsätzlich nur der Ertrag in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen; für eine Lebensversicherung gilt daher, dass bei Fälligkeit des Auszahlungsbetrags (als Rente oder Einmalzahlung) nur die darin enthaltenen Zins- und Gewinnanteile, nicht aber das eingesetzte Kapital zur Bemessungsgrundlage gehören; Zuwendungen, die ohne rechtliche Verpflichtung, also freiwillig, von Familienangehörigen oder Lebensgefährten erbracht werden und nicht dazu gedacht sind, andere Unterhaltsberechtigte mitzuversorgen, sind bei der Unterhaltsbemessung im Allgemeinen nicht zu berücksichtigen


Schlagworte: Familienrecht, Unterhaltsbemessung, Lebensversicherung, angespartes Vermögen, Zuwendungen
Gesetze:

§ 94 ABGB, § 231 ABGB

GZ 8 Ob 35/14a, 28.04.2014

 

Der Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass die Auszahlung aus der Lebensversicherung nicht in die Bemessungsgrundlage hätte einbezogen werden dürfen, weil es sich dabei nicht um Erträgnisse, sondern um die Auszahlung aus einer Sparform, vergleichbar mit der Auflösung eines Sparbuchs oder eines Bausparvertrags, handle. Außerdem habe es sich bei den Einzahlungen auf die Lebensversicherung um eine Schenkung seiner Mutter gehandelt.

 

OGH: Zu den als Unterhaltsbemessungsgrundlage dienenden Einkünften zählen alle Einnahmen des Unterhaltspflichtigen (idR aus unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit) in Geld- oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen kann. Ausgenommen sind solche Einnahmen, die der Abgeltung von effektiven Auslagen dienen.

 

In der unterhaltsrechtlichen Rsp ist anerkannt, dass Zahlungen zu Zwecken der Vermögensbildung die Bemessungsgrundlage im Allgemeinen nicht schmälern. Daraus wird abgeleitet, dass Einzahlungen auf Bausparverträge ebenso wie Prämienzahlungen auf Lebensversicherungen (auch wenn sie der Dienstgeber leistet) nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden können.

 

Für den Anlassfall ist damit klargestellt, dass es sich bei den Ansprüchen aus einer Lebensversicherung um (angespartes) Vermögen des Unterhaltspflichtigen handelt. Diese Ansprüche bestehen aus einem Kapitalanteil (eingesetztes Kapital) und einem Ertragsanteil. Entgegen der Ansicht der Klägerin gilt dies auch dann, wenn die Lebensversicherung als Rentenversicherung konzipiert ist. In diesem Fall ist der Ertragsanteil der auf die Verzinsung der Ersparnisse entfallende Anteil der Rente aus der Lebensversicherung.

 

Der Stamm des Vermögens ist nach der Rsp (jedenfalls beim Ehegattenunterhalt) grundsätzlich nur dann in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn und soweit der Unterhaltspflichtige dessen Substanz schon in der Vergangenheit regelmäßig angegriffen hat, um damit die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung zu decken.

 

Ausgehend von diesen Grundsätzen wurde zu einer Lebensversicherung (als Rentenversicherung) vom OGH bereits ausgesprochen, dass ein von einem Unterhaltspflichtigen aus seinen Einkünften erzieltes Sparguthaben nicht (doppelt) als Einkommen zu berücksichtigen ist. Dementsprechend muss ein im Rahmen der Erlebensversicherung eingezahltes Kapital bei der Unterhaltsbemessung als (neuerliches) Einkommen unberücksichtigt bleiben. Demgegenüber ist aber der Ertrag aus einem (auch angesparten) Vermögen zu berücksichtigen. In diesem Sinn gelten die in den Renten enthaltenen Zins- und Gewinnanteile als Einkommen.

 

Diese Grundsätze gelten auch für den Fall der einmaligen Auszahlung der Ansprüche aus einer Lebensversicherung. Daraus folgt, dass bei Fälligkeit des Auszahlungsbetrags (als Ablauferlös oder als Rückkaufswert bei vorzeitiger Auflösung) der Ertrag (Zins- und Gewinnanteile) zur Bemessungsgrundlage gehört, nicht aber das (bereits in den Vorjahren bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigte) eingesetzte Kapital.

 

Damit haben die Vorinstanzen zu Unrecht den gesamten Auszahlungsbetrag aus der Lebensversicherung in die Bemessungsgrundlage einbezogen.

 

Im Anlassfall kommt als Besonderheit hinzu, dass das angesparte Vermögen aus der Lebensversicherung unstrittig nicht aus den Einkünften des Beklagten erzielt wurde, sondern die Prämienzahlungen durch die Mutter des Beklagten geleistet wurden. Die Vermögensbildung erfolgte demnach durch - im maßgeblichen Verhältnis zum Beklagten - freiwillige Zahlungen eines Angehörigen. Auch wenn der Beklagte als Begünstigter aus der Lebensversicherung im Verhältnis zum Versicherer einen vertraglichen Anspruch auf die Leistung hat, ist der Auszahlungsbetrag aus der Lebensversicherung unterhaltsrechtlich als freiwillige Zuwendung durch Dritte zu qualifizieren.

 

Nach der Judikatur zählen Zuwendungen, die ohne rechtliche Verpflichtung, also freiwillig, von Familienangehörigen oder Lebensgefährten erbracht werden und nicht dazu gedacht sind, andere Unterhaltsberechtigte mitzuversorgen, nicht zu dem für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Trotz teilweiser Kritik im Schrifttum hat der Oberste Gerichtshof an dieser Ansicht festgehalten.

 

Die Klägerin hat nun weder dargelegt, warum die Mutter des Beklagten die Prämienzahlungen im Verhältnis zu diesem aufgrund einer Rechtspflicht vorgenommen hat, noch dass mit der Unterstützung des Beklagten auch eine finanzielle Versorgung der Klägerin bezweckt war. Abgesehen davon hat sich die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren auch nicht auf den Ertragsanteil des Auszahlungsbetrags aus der Lebensversicherung berufen und etwa auch kein Vorbringen dazu erstattet, dass der Beklagte schon in der Vergangenheit vergleichbare Leistungen zur Lebensführung und zur Bestreitung des Unterhalts herangezogen habe.

 

Insgesamt ist der vom Erstgericht festgestellte Auszahlungsbetrag aus der Lebensversicherung somit nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen.