OGH: Rechnungslegungspflicht des Rechtsanwalts
Der Mandant hat gegenüber dem Rechtsanwalt einen vererblichen Rechnungslegungsanspruch, von dem nur Tatsachen höchstpersönlicher Natur ausgenommen sind; es steht nicht in der Macht des Erblassers, den ihm als Mandanten eines Rechtsanwalts zustehenden vererblichen Rechnungslegungsanspruch den Erben dadurch zu entziehen, dass er dem Rechtsanwalt darüber Stillschweigen gegenüber den Erben aufträgt
§ 1012 ABGB, §§ 1002 ff ABGB, Art XLII EGZPO
GZ 6 Ob 222/13k, 10.04.2014
Die Kläger argumentieren im Wesentlichen, die Rechnungslegungspflicht des beklagten Rechtsanwalts umfasse nicht nur ein Bankkonto, sondern sämtliche Aktivitäten des Beklagten für die Erblasserin im Rahmen der rechtsanwaltlichen Auftragserfüllung einschließlich die vom Beklagten der Erblasserin gelegten Honorarnoten.
OGH: Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht:
Der Beklagte macht geltend, dass er bei Behandlung der Beweisrüge in seiner Berufung die Echtheit der Urkunde ./J (Entbindungserklärung aller acht Erben) nicht zugestanden hat. Auf die Entbindung des Beklagten von Verschwiegenheitspflichten durch alle Erben oder auch nur einen Teil von ihnen kommt es jedoch rechtlich nicht an.
Anwaltliche Verschwiegenheitspflicht:
Zur anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden. Danach ist hier Anwaltsrecht anzuwenden und kommt eine Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten oder dessen Erben nicht in Betracht.
Rechnungslegungsbegehren:
Auch diesbezüglich kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden. Dies betrifft die Beurteilung, dass der Mandant gegenüber dem Rechtsanwalt einen vererblichen Rechnungslegungsanspruch hat, von dem nur Tatsachen höchstpersönlicher Natur ausgenommen sind; bei der Abrechnung eines rein vermögensrechtlichen Vertragsverhältnisses samt Belegvorlage geht es nicht um solche Tatsachen höchstpersönlicher Natur.
Davon ausgehend besteht aber entgegen der Ansicht der Vorinstanzen für eine sofortige Abweisung des Rechnungslegungsmehrbegehrens kein Raum.
Nicht gefolgt werden kann auch den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, soweit dieses unter Berufung auf eine Untersuchung von F. Bydlinski darauf abstellt, ob die Erblasserin dem Beklagten ausdrückliches Stillschweigen auch nach ihrem Tod und auch gegenüber ihren Erben aufgetragen hat.
Es steht nicht in der Macht eines Erblassers, den ihm als Mandanten eines Rechtsanwalts zustehenden vererblichen Rechnungslegungsanspruch den Erben dadurch zu entziehen, dass er dem Rechtsanwalt darüber Stillschweigen gegenüber den Erben aufträgt.
Der vom Berufungsgericht zitierte Aufsatz von F. Bydlinski ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil der Autor dort „höchstpersönliche“ Umstände (zB die Krankengeschichte des Verstorbenen) thematisiert, um die es hier eben nicht geht. F. Bydlinski plädiert in diesem Aufsatz auch für eine analoge Anwendung des § 77 UrhG. In dieser Bestimmung ist die Rede von „Briefen, Tagebüchern und ähnlichen vertraulichen Aufzeichnungen“. Damit ist die Rechnungslegung über ein anwaltliches Mandatsverhältnis nicht vergleichbar.
Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hätte überdies gefährliche Konsequenzen: Der Beauftragte könnte leicht wahrheitswidrig nach dem Tod des Auftraggebers die von diesem auferlegte Pflicht zum Stillschweigen behaupten, ohne dass der verstorbene Auftraggeber dem widersprechen könnte. Wenn derart die Rechnungslegung über das seinerzeitige Mandat hintertrieben werden könnte, würde der Verheimlichung und Veruntreuung von Nachlassvermögen durch vom Erblasser Beauftragte zum Schaden der Erben Tür und Tor geöffnet.