OGH: Aufklärungspflicht im Versicherungsrecht
Erkennbare Fehlvorstellungen, insbesondere etwa auch, dass der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz gerade für ein ausgeschlossenes Risiko anstrebt, sind vom Versicherer richtig zu stellen
§ 43 VersVG, § 44 VersVG
GZ 7 Ob 20/14p, 22.04.2014
OGH: Die Belehrungspflicht des Versicherers oder seines Agenten darf nach stRsp nicht überspannt werden; sie erstreckt sich nicht auf alle möglichen Fälle. Eine Aufklärungspflicht besteht dann, wenn dem Versicherungsagenten aus den Äußerungen des Versicherungsinteressenten klar erkennbar ist, dass dieser über einen für ihn ganz wesentlichen Vertragspunkt eine irrige Vorstellung hat. Erkennbare Fehlvorstellungen, insbesondere etwa auch, dass der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz gerade für ein ausgeschlossenes Risiko anstrebt, sind vom Versicherer richtig zu stellen.
Entgegen der Meinung der Klägerin ist für ihren Standpunkt aus diesen Rechtssätzen allerdings nichts zu gewinnen. Ihre Auffassung, sie wäre vom Versicherungsagenten der Beklagten auf Deckungsgrenzen aufmerksam zu machen gewesen, weil anlässlich des Versicherungsantrags auch von „Schmuck“ die Rede gewesen sei, kann nach den festgestellten Umständen nicht geteilt werden. Ihre Äußerung, dass sie auch Schmuck habe, musste der Versicherungsbetreuer ohne weitere Informationen nicht als Hinweis verstehen, dass die Klägerin Schmuck in einem 58.138,27 EUR übersteigenden Wert besitzt und sie davon ausgeht, dass dieser Schmuck in einer diesen Betrag übersteigenden Höhe bis zur Versicherungssumme versichert sein soll. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Haushaltsversicherungsvertrags im September 1994 besaß die Klägerin einen so wertvollen Schmuck noch gar nicht. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen schaffte sie sich den Safe erst ca zwei Jahre später (1996) an, weil sie (zwischenzeitlich) einige „schöne“ Schmuckstücke erhalten hatte. Mangels Besitzes so wertvoller Schmuckstücke im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags konnte ein hoher Wert des (erst zukünftig erworbenen) Schmucks dem Mitarbeiter der Beklagten und damit dem Versicherer gar nicht bekannt sein.
Nach den unbekämpften erstgerichtlichen Feststellungen teilte der Versicherungsbetreuer und Mitarbeiter der Beklagten (laut Polizze Beilage ./B: „Obersekretär des Außendienstes“), der als von der Beklagten mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften beauftragter Versicherungsagent iSd § 43 VersVG idF vor BGBl 1994/509 anzusehen ist, der Klägerin auf ihre Nachfrage mit, dass sie den Schmuck in einem verschlossenen Raum oder Kasten, am besten in einem Safe, aufbewahren solle. Über eine besondere Art des Safes sprach er mit ihr nicht und informierte sie auch nicht über zusätzliche Sicherheitseinrichtungen.