VwGH: Einschränkung der Lenkberechtigung (iZm (früherem) Drogenkonsum)
Für die Annahme einer eingeschränkten gesundheitlichen Eignung reicht es nicht, wenn eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht ausgeschlossen werden kann
§ 8 FSG
GZ 2012/11/0096, 02.04.2014
VwGH: Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen iSd § 8 Abs 3 Z 2 FSG ist dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in diesem Sinne anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss.
Für die Annahme einer eingeschränkten gesundheitlichen Eignung im oben genannten Sinn reicht es nicht, wenn eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht ausgeschlossen werden kann.
Um die für die Befristung der Lenkberechtigung vorausgesetzte bloß eingeschränkte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung, und zwar in ausreichendem Maß, für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art nach Ablauf der von der Behörde angenommenen Zeit mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss.
Demnach ist Voraussetzung sowohl für die Vorschreibung von Nachuntersuchungen als auch für die Befristung der Lenkberechtigung, dass beim Betreffenden eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss.
Zwar hat die belBeh diese Voraussetzungen zunächst zutreffend wiedergegeben und dazu auf das Erkenntnis vom 22. Juni 2010, 2010/11/0067, hingewiesen.
Der Bf weist in seiner Beschwerde jedoch mit Recht darauf hin, dass sich aus dem von der belBeh zugrunde gelegten Sachverhaltssubstrat nicht ableiten lässt, beim Bf bestehe eine gesundheitliche Beeinträchtigung, nach deren Art mit einer (die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden) Verschlechterung gerechnet werden müsse:
Zwar durfte die belBeh unstrittig von einem Drogenkonsum des Bf bis zum Jahr 2010 ausgehen, doch waren die darauf abzielenden Harnbefunde nach der Aktenlage seit dem 23. August 2010 negativ (vgl insbesondere das aktenkundige psychiatrische Gutachten vom 26. August 2010, wonach sich beim Bf keine Hinweise auf Drogenabhängigkeit, sondern nur auf Gelegenheitskonsum von Cannabis fänden, mit Hinweis auf den negativen Harnbefund vom 23. August 2010; vgl zu weiteren negativen Harnbefunden den medizinisch diagnostischen Laborbefund vom 24. November 2010, die ärztlichen Bestätigungen vom 25. Februar 2011 und vom 23. Mai 2011 und den medizinisch diagnostischen Laborbefund vom 17. August 2011).
Wenn daher die Amtsärztin der Bundespolizeidirektion Wien Dr F in ihrer Stellungnahme vom 29. August 2011, offenbar ausgehend vom Drogenkonsum des Bf zuletzt im Jahr 2010 ("Z. n. (Zustand nach) gefährlichem Cannabis"), den der Bf offen und ohne Beschönigungstendenzen zugegeben habe, die "Gefahr eines Rückfalls bzw. offensichtlich regelmäßigen Konsums" noch für den Begutachtungszeitpunkt angibt, so kann dies - mangels näherer Begründung und angesichts der zahlreichen negativen Harnbefunde - nur als Spekulation und nicht als schlüssige Aussage eines Sachverständigen gewertet werden, die keine taugliche Entscheidungsgrundlage bildete.
Daran vermag die Aussage des Dr F in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 21. Februar 2012, der keine neuen Fakten für die von der belBeh angenommene Rückfallgefahr beim Bf dargelegt hat (und der im Übrigen - entgegen den Angaben im angefochtenen Bescheid - in der Berufungsverhandlung weder Befund noch Gutachten erstattet, sondern als Vertreter der Erstbehörde teilgenommen hat), nichts zu ändern.
Zusammengefasst verbleibt daher im gegenständlichen Fall der erwiesene Cannabiskonsum des Bf zuletzt im Jahr 2010, der (nicht zuletzt weil sämtliche aktenkundige danach folgende Harnuntersuchungen des Bf auf Cannabis negativ waren) jedenfalls im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheid nicht mehr zur Annahme berechtigte, der Bf leide an einer gesundheitliche Beeinträchtigung, nach deren Art mit einer (die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder in relevantem Ausmaß einschränkenden) Verschlechterung gerechnet werden müsse.
Im Übrigen ist die belBeh gegenständlich auch unzutreffend davon ausgegangen, dass bereits eine "nicht auszuschließende Verschlechterung" einer gesundheitlichen Beeinträchtigung die Vorschreibung einer Kontrolluntersuchung bzw die Befristung der Lenkberechtigung rechtfertigt.