07.06.2014 Verfahrensrecht

OGH: Antragsbindung im Außerstreitverfahren (iZm Verfahren nach § 6 Abs 1 MRG bzw § 14c Abs 1 WGG)

Auch in Außerstreitverfahren, in denen das Antragsprinzip uneingeschränkt herrscht, ist das Gericht an den Sachantrag gebunden


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Antragsprinzip, Sache, Verfahrensgegenstand, Entscheidungsbefugnis, Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, Mietrecht, Sanierung, Instandsetzung, Erhaltungsarbeiten, Verbesserungsarbeiten
Gesetze:

§ 36 AußStrG, §§ 14a ff WGG, § 22 WGG, § 6 MRG

GZ 5 Ob 247/12b, 21.03.2013

 

OGH: Die Grenzen der Entscheidungsbefugnis des Gerichts werden durch den Verfahrensgegenstand abgesteckt, der in den Antragsverfahren durch die Anträge der Parteien bestimmt wird. Dabei ist zwischen Verfahren zu differenzieren, deren verfahrenseinleitende Anträge ein bestimmtes Begehren enthalten müssen und den Verfahrensgegenstand daher klar eingrenzen, und solchen, deren verfahrenseinleitende Anträge zulässigerweise ein unbestimmtes Begehren enthalten, sowie jenen, in denen der (bestimmt oder unbestimmt gehaltene) verfahrenseinleitende Antrag den Verfahrensgegenstand nur quantitativ (in Ansehung der einbezogenen Sache), nicht aber qualitativ (in Ansehung der zu treffenden Anordnungen) begrenzt. Der Verfahrensgegenstand wird dabei nicht nur durch den Inhalt des Sachantrags, sondern auch aus dem zu seiner Begründung erstatteten Tatsachenvorbringen bestimmt. Ob ein aliud vorliegt, ergibt sich daher aus dem Vergleich zwischen dem gestellten Begehren und dem unter Berücksichtigung der rechtserzeugenden Tatsachen für berechtigt erachteten Anspruch.

 

Das Verfahren nach § 14c Abs 1 WGG unterliegt der Dispositionsmaxime uneingeschränkt. Anders als in einem Verfahren über eine Regelungsstreitigkeit, in dem das Gericht über das konkrete Begehren hinaus eine angemessene Rechtsgestaltung vorzunehmen hat, ist in einem Verfahren nach § 6 Abs 1 MRG bzw § 14c Abs 1 WGG die Entscheidungsbefugnis durch den Sachantrag vorgegeben. Auch wenn es für die Bestimmtheit des Antrags zunächst genügt, dass die Erhaltungsarbeiten ihrer Art nach umschrieben sind, grenzt die vom Antragsteller allenfalls nach Anleitung vorzunehmende Präzisierung des Begehrens den Verfahrensgegenstand qualitativ ein. Daran ist das Gericht grundsätzlich gebunden, sodass ihm keine unbeschränkte Gestaltungsfreiheit zukommt. Das bedeutet zwar noch nicht, dass bereits jedes Abweichen vom Begehren eine Überschreitung des Sachantrags begründet. Solange die angeordnete Maßnahme den Gegenstand des Verfahrens betrifft und in den zur Begründung der Rechtsfolge vorgetragenen und zur Entscheidung herangezogenen Tatsachen Deckung findet, ist die Identität der Sache gewahrt und es liegt kein aliud vor.

 

Die vom Rekursgericht anstelle der vom Antragsteller begehrten Sanierungsarbeiten aufgetragene Errichtung einer Drainage entlang der Nordgrenze war vom Wortlaut des Begehrens des Antragstellers nicht erfasst. Sein Antrag hat den Gegenstand des Verfahrens auf die Dichtheit der Kelleraußenwände beschränkt und zielt damit auf die Verhinderung zukünftiger Wassereintritte ab. Damit bewegt sich die vom Rekursgericht aufgetragene Drainagierung nicht mehr innerhalb des durch das Begehren auf Vornahme von Erhaltungsarbeiten an den Kelleraußenwänden abgesteckten Verfahrensgegenstands.

 

Hält sich die Entscheidung nicht im Rahmen des gestellten Antrags, liegt ein Verstoß gegen § 36 Abs 4 AußStrG und damit eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor.