26.05.2014 Zivilrecht

OGH: Verhältnis zwischen Jagdrecht und allgemeinem Zivilrecht

Neben der verschuldensunabhängigen Haftung nach Jagdrecht bleibt in manchen Konstellationen die allgemeine Verschuldenshaftung nach dem ABGB anwendbar


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Jagdrecht, Wildschäden, Jagdschäden
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, §§ 1 ff Stmk JagdG

GZ 9 Ob 9/11f, 26.05.2011

 

Der beklagte Jagdberechtigte hatte in den Bergen der Steiermark eine Fütterstelle für Rotwild. Sein Revierorgan hatte im schneereichen Winter 2005/2006 die Fütterstelle unregelmäßig und zu gering befüllt sowie „Jagdaktivitäten“ in der unmittelbaren Nähe zur Fütterstelle getätigt. Dadurch kam es zu einem Ausweichen des Rotwildes in eine tiefer gelegene Eigenjagd und dort zu Schälschäden an Fichten. Der geschädigte Grundbesitzer klagte auf Schadenersatz.

 

OGH: Der Kläger hat sich zur Geltendmachung seines Anspruchs auch allgemein „auf Schadenersatz“ berufen, sodass zu prüfen ist, ob ein im Schadenersatzrecht begründeter Anspruch des Klägers als Eigenjagdberechtigter nach den §§ 1293 ff ABGB gegeben ist.

 

Voranzustellen ist, dass dem keine kompetenzrechtlichen Bedenken entgegenstehen. Zwar obliegt die Regelung der Ausübung des Jagdrechts aufgrund der Generalklausel des Art 15 Abs 1 B-VG den Ländern. Diese sind nach der Annexkompetenz des Art 15 Abs 9 B-VG auch befugt, die zur Regelung des Gegenstands erforderlichen zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen zu erlassen, worauf etwa der Ersatz von Wildschäden gestützt wird. Das korrespondiert auch mit § 383 ABGB, wonach der Ersatz von Wildschäden „den politischen Gesetzen“ überlassen ist.

 

Da die landesgesetzlichen Jagdrechte die verschiedenen Fragen des Wildschadenersatzrechts nicht umfassend regeln, wurde für wildschadensbedingte Ersatzansprüche aber schon erkannt, dass damit nicht ausgeschlossen ist, bei der Festsetzung der Verantwortlichkeit des Jagdberechtigten allgemeine Rechtsgrundsätze zur Anwendung zu bringen, die für jedes Schadenersatzrecht als gültig anzusehen sind.

 

Von Wildschäden iSv vom Wild originär verursachter, im Interesse der Land- und Forstwirtschaft dennoch ersatzfähiger Schäden zu unterscheiden sind Konstellationen wie die vorliegende, in denen durch den jagdwirtschaftlichen Betrieb einer Fütterungsstelle in das natürliche Verhalten des Rotwilds eingegriffen wird, indem es zur Nahrungsaufnahme - und nicht zuletzt zur anderweitigen Schadensvermeidung - dorthin gelockt wird, die Fütterungsstelle aber nicht ordnungsgemäß betrieben wird und das Rotwild dadurch veranlasst wird, in Fichtenbestände außerhalb des eigenen Jagdgebiets auszuweichen. In einem solchen Fall ist der dann vom Wild angerichtete Schaden in einem menschlichen Verschulden begründet. Die dargelegten Grundgedanken zur Wildschadenshaftung als spezieller Gefährdungs- oder Eingriffshaftung treffen auf ihn nicht zu. Es bleibt die allgemeine Verschuldenshaftung nach dem ABGB anwendbar.