17.05.2014 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob im Zuge eines im Ausland geschlossenen Vermögensberatungsvertrags die Vermittlung einer finanzierenden Bank, die im Hoheitsgebiet des Wohnsitzes des Verbrauchers ihren Sitz hat, den Begriff der „Ausrichtung“ der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit iSd Art 15 Abs 1 lit c zweite Alternative EuGVVO erfüllt

In der Empfehlung des Abschlusses eines Hilfsgeschäfts (Kreditvertrag) zwischen einem in einem Mitgliedstaat (Deutschland) wohnhaften Verbraucher und einem in einem anderen Mitgliedstaat befindlichen Dritten (Bank in Innsbruck) - also nicht dem Gewerbetreibenden - wird nicht schon die Bereitschaft des Gewerbetreibenden ausgedrückt, er selbst wolle mit im anderen Mitgliedstaat (Österreich) wohnhaften Verbrauchern Geschäfte tätigen


Schlagworte: Internationales Verfahrensrecht, Vermögensberatungsvertrag, Bank, Hilfsgeschäft, Kreditvertrag, Ausrichten, Geschäfte mit Verbrauchern, Mitgliedsstaat, Wohnsitzstaat, doing business
Gesetze:

Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO, Art 2 Abs 1 EuGVVO, Art 5 Nr 1 EuGVVO

GZ 2 Ob 158/12t, 24.01.2013

 

OGH: Nach der Rsp des EuGH enthält der hier zu prüfende Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO eine Abweichung sowohl von der allgemeinen Zuständigkeitsregel des Art 2 Abs 1 EuGVVO, nach der die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, als auch von der besonderen Zuständigkeitsregel des Art 5 Nr 1 EuGVVO für Verträge oder Ansprüche aus Verträgen, nach der das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Daraus folgt, dass diese Abweichung zwangsläufig eng ausgelegt werden muss, da eine Abweichung oder Ausnahme von einer allgemeinen Regel eng auszulegen ist.

 

Weiters hat der EuGH (iZm einer im Staat des Verbrauchers aufrufbaren Webseite eines Gewerbetreibenden) ausgesprochen, dass für die Anwendbarkeit des Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO der Gewerbetreibende seinen Willen zum Ausdruck gebracht haben muss, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des Verbrauchers, herzustellen. Es ist deshalb im Fall eines Vertrags zwischen einem Gewerbetreibenden und einem bestimmten Verbraucher zu ermitteln, ob vor dem möglichen Vertragsschluss mit diesem Verbraucher Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Gewerbetreibende Geschäfte mit Verbrauchern tätigen wollte, die in anderen Mitgliedstaaten wohnhaft sind, darunter in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der fragliche Verbraucher seinen Wohnsitz hat, und zwar idS, dass der Gewerbetreibende zu einem Vertragsschluss mit diesen Verbrauchern bereit war.

 

Selbst wenn man berücksichtigt, dass vom „Ausrichten“ iSd Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO alle auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichteten absatzfördernden Handlungen erfasst sind, so reicht für die zu fordernde Zielgerichtetheit der Tätigkeit des Unternehmens ein bloßes „doing business“ nicht aus. Das einmalige Versenden von Katalogen an Einzelpersonen genügt ebenso wenig wie eine Empfehlung durch Bekannte oder das Bereithalten von Formularen des späteren Vertragspartners zur Ausfüllung durch den vom Verbraucher eingeschalteten Vermittler.