OGH: Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit
Auch ein sich über einen längeren Zeitraum erstreckendes „Gesamtverhalten“ kann eine Entlassung wegen berechtigten Vertrauensverlust rechtfertigen, jedoch muss auch der eigentliche Anlass eine gewisse Mindestintensität haben
§ 27 AngG, § 8 BEinStG, § 34 VBG
GZ 9 ObA 18/14h, 26.02.2014
OGH: Der vom Berufungsgericht bejahte Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 AngG liegt dann vor, wenn die Handlungen oder Unterlassungen des Angestellten mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und auf ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers nicht würdig erscheinen lassen, weil der Arbeitgeber befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitnehmers gefährdet sind. Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Es geht also um die berechtigte Befürchtung des Arbeitgebers, dass seine Interessen durch den Angestellten gefährdet werden, wobei gerade an Angestellte in leitender Stellung strengere Anforderungen gestellt werden und auch fahrlässiges Verhalten ausreicht.
Diese Grundsätze wurden vom Berufungsgericht zugrunde gelegt. Wenn das Berufungsgericht im vorliegenden Fall davon ausgegangen ist, dass bei objektiver Betrachtungsweise die Beklagte damit rechnen musste, dass der in vielen Bereichen selbständig als leitender Angestellter (Personalaufnahme, Kündigung, Personaleinteilung, Kundenbetreuung) agierende Kläger ihre Interessen nicht entsprechend wahrnimmt, so kann darin jedenfalls keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung gesehen werden.
Soweit sich der Kläger darauf stützt, dass es doch einer gewissen Mindestintensität des Anlassfalls bedürfe, beziehen sich die von ihm herangezogenen Entscheidungen darauf, dass nach stRsp auch ein sich über einen längeren Zeitraum erstreckendes „Gesamtverhalten“ eine Entlassung wegen berechtigten Vertrauensverlust rechtfertigen kann, jedoch auch der eigentliche Anlass eine gewisse Mindestintensität haben muss. Dies ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass unabhängig von der Kenntnis des Arbeitgebers länger zurückliegende Vorfälle ihre Bedeutung als Entlassungsgrund verlieren. Die hier festgestellten konkreten Verhaltensweisen - Verstöße gegen die Interessen der Beklagten durch ein die Kunden abschreckendes Verhalten - haben sich in den letzten Wochen vor der Entlassung verwirklicht. Ein Einwand der Verfristung wurde insoweit in erster Instanz nicht konkret erhoben.