OGH: Zur Frage, ob die Überschreitung des Hausdurchsuchungsbefehls ein gesetzlicher Versiegelungsgrund nach § 12 Abs 5 WettbG ist
Eine Versiegelung hat nur mehr zu erfolgen, wenn der Betroffene der Prüfung von Unterlagen unter Berufung auf eine gesetzlich anerkannte Verschwiegenheitspflicht oder ein ihm zustehendes Recht zur Aussageverweigerung nach § 157 Abs 1 Z 2 bis 5 StPO widerspricht; das Widerspruchsrecht wird damit auf seltene Ausnahmesituationen reduziert; die Sichtungs- und Prüfungsverpflichtung des Kartellgerichts ist auf diese im Gesetz vorgesehenen Versiegelungsgründe beschränkt; werden solche nicht einmal behauptet, ist das Kartellgericht nicht gehalten, von Amts wegen nach gesetzlichen Widerspruchsgründen zu forschen
§ 11a Abs 1 WettbG, § 11a Abs 2 WettbG, § 12 Abs 5 WettbG, § 157 Abs 1 Z 2 bis 5 StPO
GZ 16 Ok 2/14, 06.03.2014
OGH: Das Kartellgericht ist nicht in jedem Fall verpflichtet, eine Sichtung der Unterlagen vorzunehmen. Werden keine tauglichen Versiegelungsgründe iSd § 12 Abs 5 WettbG angeführt, ist der Widerspruch des Betroffenen von vornherein ungeeignet, eine Versiegelung zu rechtfertigen, und es ist auch keine weitere Prüfung oder Sichtung der Unterlagen erforderlich. Eine Sichtung der Unterlagen durch das Kartellgericht setzt vielmehr eine rechtmäßige Versiegelung voraus.
Zudem besteht kein Widerspruchsrecht, wenn die BWB Unterlagen kopiert oder sogar beschlagnahmt, die vom Hausdurchsuchungsbefehl nicht erfasst sind. Eine derartige Überschreitung des Hausdurchsuchungsbefehls wäre vielmehr als Akt der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt beim UVS bzw in Hinkunft vor dem Verwaltunsgericht bekämpfbar.
Im Übrigen hat der OGH bereits ausgesprochen, dass eine gerichtliche Überprüfung der tatsächlichen Vorgangsweise der BWB bei Durchführung einer kartellgerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung nicht in Betracht kommt, weil es sich dabei um eine verwaltungspolizeiliche Maßnahme einer Verwaltungsbehörde handelt. Ob eine Behörde ihre Befugnisse rechtmäßig ausgeübt oder überschritten hat, ist aber von den UVS, in Hinkunft von den Verwaltungsgerichten zu prüfen.