03.05.2014 Zivilrecht

OGH: Miteigentum und Benützungsvereinbarung

Substanzveränderungen können insbesondere in Baumaßnahmen liegen, die ohne Einstimmigkeit nur dann unzulässig sind, wenn sie zwar die den einzelnen Teilhabern zur Sondernutzung zugewiesenen Teile des Gemeinschaftsguts betreffen, aber in die Rechtssphäre der Übrigen durch eine Berührung deren wichtigen Interessen eingreifen würden


Schlagworte: Miteigentumsrecht, Benützungsvereinbarung, Baumaßnahmen, Neuerrichtung
Gesetze:

§§ 825 ff ABGB

GZ 8 Ob 130/13w, 24.03.2014

 

Die Streitteile haben als Miteigentümer der Almliegenschaft eine Benützungsvereinbarung geschlossen, die dem Antragsteller (ua) das Recht zur alleinigen Nutzung des alten Heustadels für Zwecke seines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebs einräumte.

 

OGH: Eine Benützungsvereinbarung bewirkt die Umgestaltung allgemeiner Gebrauchsbefugnisse eines Miteigentümers in Sondernutzungsrechte an bestimmten Sachteilen. Der OGH hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass einem Miteigentümer, dem der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, die ausschließliche rechtliche Verfügungsgewalt über diesen Teil zukommt.

 

Das alleinige Nutzungsrecht umfasst unter gewissen Voraussetzungen auch das Recht zur physischen Veränderung. Dem steht § 828 ABGB, wonach kein Teilhaber einer gemeinsamen Sache bei Uneinigkeit der Miteigentümer Veränderungen vornehmen darf, nur dann entgegen, wenn durch eine Widmungsänderung oder einen Eingriff in die Substanz in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen und deren wichtige Interessen berührt werden.

 

Substanzveränderungen können insbesondere in Baumaßnahmen liegen, die ohne Einstimmigkeit nur dann unzulässig sind, wenn sie zwar die den einzelnen Teilhabern zur Sondernutzung zugewiesenen Teile des Gemeinschaftsguts betreffen, aber in die Rechtssphäre der Übrigen durch eine Berührung deren wichtigen Interessen eingreifen würden.

 

Es entspricht zunächst dem wohlverstandenen Sinn der zwischen den Streitteilen bestehenden Benützungsregelung, dass der Antragsteller allein berechtigt und auch verpflichtet ist, notwendige Erhaltungsreparaturen an den ihm zur Nutzung zugewiesenen Gebäuden vorzunehmen. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass bei Gefahr im Verzug von dieser Vereinbarung auch das Recht zum Ersatz einer irreparabel baufällig gewordenen, vom Einsturz bedrohten Substanz durch einen gleichartigen Neubau umfasst sein kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Korrektur.

 

Die zu beurteilende Neuerrichtung des Heustadels wäre damit nur dann ohne Einstimmigkeit unzulässig, wenn sie wichtige, schutzwürdige Interessen der anderen Miteigentümerin berühren würde. Diese Voraussetzung kann aber immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.

 

Das Ergebnis des Rekursgerichts, das im Anlassfall keine wichtigen Interessen der Antragsgegnerin am Unterbleiben der Baumaßnahme erblicken konnte, weil die gemeinsame Almliegenschaft durch den Neubau in standfester Ausführung nicht beeinträchtigt, sondern eher aufgewertet wurde, Ausmaße und äußeres Erscheinungsbild des Stadels erhalten geblieben sind und der Antragsteller sämtliche Kosten selbst getragen hat, kann zumindest nicht als unvertretbar beurteilt werden.

 

Der Umstand, dass der Antragsteller nur Minderheitseigentümer ist, wogegen das Gericht nach § 835 ABGB von den Miteigentümern nur zur Entscheidung über die Durchführung einer von der Mehrheit beschlossenen Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung des gemeinsamen Gutes angerufen werden kann, stand der Entscheidung des Rekursgerichts hier nicht entgegen. Der zu beurteilende Antrag zielt in Wahrheit nicht auf die Entscheidung über einen Miteigentümerbeschluss ab, sondern hat einen Anspruch aus der zwischen den Streitteilen geschlossenen Benützungsregelung zum Gegenstand. Zu diesem Begehren ist auch ein Minderheitseigentümer legitimiert. Nach § 838a ABGB sind Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinsamen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten ganz allgemein im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden, auch, wenn der Auseinandersetzung eine Vereinbarung der Miteigentümer zugrunde liegt.