OGH: Schockrechnungen iZm Mobilfunkvertrag (mobiles Internet - Roaminggebühren) – zu den Fragen, wie streng die Anforderungen an die Schutz- und Sorgfaltspflichten von Telekom-Unternehmen sind und ob der Verweis in den AGB-Mobil auf die Abrufbarkeit der Entgeltbestimmungen für Roaming-Leistungen im Internet den Anforderungen des Konsumentenschutzes entsprechen
Sind dem Kläger die Gefahren von Roaming beim mobilen Netzzugang beim Handy bekannt, umfasst diese Kenntnis auch das mobile Internet, zu dem er über ein Modem mit Handynummer gelangt; ein Querverweis in einem Klauselwerk oder ein Verweis auf Preislisten führt an sich noch nicht zur Intransparenz iSv § 6 Abs 3 KSchG; die Beklagte hat die abgerufenen Zusatzleistungen erbracht und diese sind nicht unentgeltlich (die Beklagte nimmt selbst Fremdleistungen in Anspruch); unabhängig davon, wie hoch oder niedrig das zulässige und für die Roaming-Leistungen angemessene Entgelt ist, steht der Beklagten jedenfalls ein höherer Betrag als das Grundentgelt zu
§ 6 KSchG, § 871 ABGB, § 872 ABGB, § 870 ABGB, §§ 1295 ff ABGB
GZ 7 Ob 217/13g, 26.02.2014
OGH: Der OGH hat sich bereits iZm § 15 KSchG mit der Rechtsnatur des Mobilfunkvertrags auseinandergesetzt. Danach ist dieser ein Mischvertrag sui generis mit dienstvertraglichen und mietvertraglichen Elementen. Selbst wenn man in der Verpflichtung des Netzbetreibers, dem Kunden auf Vertragsdauer den Zugang zum öffentlichen Telekommunikationsnetz und so die Möglichkeit zum Austausch von Sprache und Daten zu eröffnen, einen vom Unternehmer herzustellenden Erfolg und damit ein werkvertragliches Element erblickte, tritt dieses Element deutlich hinter dem mietrechtlichen Vertragselement zurück. Die Vollautomation der bestehenden Netzinfrastruktur erfordert keine Leistungsakte des Betreibers. Der wesentliche Leistungsinhalt besteht darin, dass der Betreiber dem Kunden das gesamte Funknetz samt technischen Einrichtungen, das als unverbrauchbare Gesamtsache iSd § 1090 ABGB zu qualifizieren ist, zum Gebrauch zur Verfügung stellt. Dem Verbraucher werden auf Vertragsdauer gegen Entgelt Nutzungsrechte eingeräumt. Darin liegt das prägende Leistungselement iSd Überwiegens eines Elements bei Mischverträgen. Die Gesetzesterminologie des TKG 2003 spricht dafür, dass der Gesetzgeber von Dienstleistungen des Betreibers gegenüber Nutzern oder Teilnehmern ausgeht, was eine Einordnung des Mobilfunkvertrags in den freien Dienstvertrag, wie dies der BGH judiziert, nahelegt, aber er gibt auch einen Hinweis auf das bestandrechtliche Element (Zurverfügungstellung des Netzes). Es wurde offen gelassen, ob das Schwergewicht des Mischvertrags im dienstvertraglichen oder im mietrechtlichen Element zu erblicken ist.
Fest steht, dass Gegenstand der Vereinbarung zwischen den Parteien ein mobiler Internetanschluss war, also kein Anschluss über eine Standleitung (Festnetzanschluss), sondern über eine „0*****-er“ Rufnummer, also eine Handynummer. Zum Wesen des mobilen Internets gehört es, dass der Netzzugang nicht von einem bestimmten Ort (Wohnung/Haus und nahe Umgebung) abhängig ist, sondern überall gegeben ist, wo die entsprechenden Funkverbindungen vorhanden sind. Weiters steht (vom Kläger auch zugestanden) fest, dass ihm die in grenznahen Bereichen (wie seinem Wohnort) bestehende Gefahr bekannt war, dass sich bei automatischer Netzwahl ein Endgerät auch bei Aufenthalt in Österreich in ein ausländisches Mobilfunknetz einbuchen kann. Er war sich dieser Gefahr so weit bewusst, dass er deshalb bei Verwendung seines Handys die manuelle Einwahl aktivierte, um zu verhindern, dass er unbeabsichtigt in ein fremdländisches Netz gerät.
Das Argument der Revision, diese Kenntnis habe nur in Bezug auf das Handy, nicht jedoch hinsichtlich des Modems bestanden, überzeugt nicht. Dem Kläger musste schon auf Grund des von ihm unterfertigten Antrags auf Tarifwechsel bekannt sein, dass er mittels einer Handynummer die Verbindung zum mobilen Netz herstellte. Er verfügte nicht über eine Standleitung. Sind dem Kläger die Gefahren von Roaming beim mobilen Netzzugang beim Handy bekannt, umfasst diese Kenntnis auch das mobile Internet, zu dem er über ein Modem mit Handynummer gelangt.
Der Kläger wirft der Beklagten nur die Verletzung von vorvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten vor. Sie hätte ihn aufklären müssen, dass sich sein Gerät, auch wenn es in Österreich betrieben wird, in ein Fremdnetz einbuchen könne und dadurch erhöhte Roaming-Gebühren entstehen würden. Abgesehen davon, dass keine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung vorliegt, wie gleich gezeigt wird, leitet der Kläger daraus keinen Schadenersatzanspruch ab. Er macht weder einen solchen in der Klage geltend, noch stützt er sich auf eine außergerichtliche, zum Erlöschen der über das Grundentgelt hinausgehenden Forderung der Beklagten aus der Rechnung führenden Aufrechnung.
Bei Verletzung einer Aufklärungspflicht kann auch ein Geschäftsirrtum durch Schweigen veranlasst werden. Die Beklagte muss den Vertragspartner über solche Umstände aufklären, deren Bedeutung dieser mangels Fachkenntnis nicht erkennt, deren Kenntnis aber für seine Entscheidung von maßgeblichem Einfluss gewesen wäre. Art und Ausmaß der Aufklärungspflicht richten sich nach dem Vertragsgegenstand und nach dem vorauszusetzenden und tatsächlichem Wissensstand des Vertragspartners und damit nach den Umständen des Einzelfalls.
Dass der Kläger ausdrücklich eine Beratung für die Verwendung des mobilen Geräts ausschließlich zu Hause (im Grenzbereich) gewollt hätte, wird von ihm ohnehin nicht behauptet. Ein aus Irreführung über Roaming abgeleiteter Anspruch des Klägers scheitert schon daran, dass die Beklagte den Kläger gar nicht in Irrtum führen konnte, weil ihm die entsprechenden Tatsachen schon bekannt waren. Zusätzlich wurde er auf die (ihm schon bekannte) Gefahr in den AGB-Mobil, in der Gebrauchsanweisung für das Modem und durch die LED-Anzeige des Modems hingewiesen. Eine Aufklärungspflichtverletzung liegt nicht vor. Überdies halten beide Parteien nach ihrem Vorbringen am Vertrag fest. Die Beklagte übt ein Leistungsverweigerungsrecht wegen nicht gehörig erfüllten Vertrags nach § 1052 ABGB aus, weil der Kläger die Rechnung nicht vollständig bezahlte; der Kläger will sie veranlassen, den Internetzugang wieder zu öffnen. Er ficht den Vertrag wegen Irrtums nicht an.
Das Grundentgelt bezog sich nach der Vereinbarung zwischen den Parteien nur auf Downloadmengen pro Monat österreichweit aus dem Netz der Beklagten. Die Möglichkeit, Roaming-Leistungen in Anspruch zu nehmen, dh auch in einem Fremdnetz Mobilfunkdienstleistungen abzurufen, war dem Kläger aus der Natur des Vertragsinhalts, der sich auf den Zugang zum mobilen Internet bezog, im Zusammenhalt mit seinem Wissen aus dem Umgang mit seinem Handy jedenfalls bekannt. Dennoch ließ er die Einstellung „automatische Netzwahl“ bestehen und wählte damit den Empfang des „stärksten“ Netzes, auch wenn es nicht das der Beklagten war. Der Kläger rief damit in Ausübung seines Nutzungsrechts Roaming-Leistungen der Beklagten ab. Sollte er trotz seines Wissensstands darüber geirrt haben, so ist dieser Irrtum von der Beklagten (und ihr allenfalls zurechenbaren Personen) nicht iSv § 871 ABGB veranlasst worden. Der Kläger brachte nicht vor, aus welchen Gründen der Beklagten ein Irrtum offenbar aus den Umständen hätte auffallen müssen, noch wurde der Irrtum rechtzeitig aufgeklärt. Der Kläger war darüber informiert, dass durch Einstellung auf „händische Wahl des Netzbetreibers“ die abgerufene Leistung auf jene der Beklagten beschränkt hätte werden können. Er hätte dazu die mitgelieferte Software installieren oder sich über die Betriebsanleitung des Modems Kenntnis über Kontrollmöglichkeiten verschaffen können. Auch aus der LED-Anzeige des Modems war das Roaming ersichtlich. Dadurch, dass er das Modem nicht an seinen Laptop ansteckte, sondern mittels Netzgerät fernab stationär betrieb, verlor das Gerät nicht die technischen Eigenschaften als mobiles Modem. Außerdem hätte er bei der Beklagten eine generelle Roaming-Sperre veranlassen können, worauf in den AGB-Mobil hingewiesen wurde.
Der Kläger vertritt den Standpunkt, die Beklagte hätte ihm die wirtschaftlichen Nachteile durch Roaming wegen der überaus hohen Gebühren deutlich vor Augen führen müssen. Der Kläger fordert keine Vertragsanpassung wegen eines unwesentlichen, von der Beklagten veranlassten Geschäftsirrtums (§ 872 ABGB), die ohnehin nur möglich wäre, wenn der Vertrag bei Kenntnis der wahren Umstände mit einem anderen Entgelt geschlossen worden wäre. Der Kläger will für die in Anspruch genommenen Roaming-Leistungen gar kein Entgelt leisten. Dass die Beklagte im Zeitpunkt des Kontrahierens hypothetisch den Willen gehabt hätte, gegebenenfalls auch zu diesen Bedingungen abzuschließen, ergibt sich nicht. Die Beklagte hat mit dem Roaming Zusatzleistungen erbracht, die grundsätzlich nicht vom Grundentgelt gedeckt sind. Sie verweist in ihren AGB-Mobil auf Entgeltbestimmungen.
Ein Querverweis in einem Klauselwerk oder ein Verweis auf Preislisten führt an sich noch nicht zur Intransparenz iSv § 6 Abs 3 KSchG. Allerdings kann im Einzelfall unklar sein, welche Rechtsfolgen sich aus dem Zusammenwirken der aufeinander bezogenen Bestimmungen ergeben.
Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Parteien wirksam bestimmte Tarife für die erbrachten Roaming-Leistungen vereinbart haben oder ob die AGB-Mobil intransparent sind, müssen nicht abschließend geprüft werden. Auch für den Fall, dass die Entgeltbestimmungen nicht zur Anwendung gelangten, ist die in Anspruch genommene Zusatzleistung nicht unentgeltlich, wie der Kläger meint. Ist in einem Geschäft mit einem Unternehmer nämlich kein Entgelt bestimmt und auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart, so gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen (§ 354 Abs 1 UGB). Die Beklagte hätte in diesem Fall nach dem Gesetz einen Anspruch auf ein angemessenes Entgelt. Wie hoch dieses wäre, ist ebenfalls nicht zu prüfen. Das Begehren des Klägers zielt nämlich darauf ab, dass er nicht mehr als das Grundentgelt zu zahlen habe und die Beklagte die Internet-Sperre aufheben müsse, weil er nichts schulde. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat die abgerufenen Zusatzleistungen erbracht und diese sind nicht unentgeltlich (die Beklagte nimmt selbst Fremdleistungen in Anspruch). Unabhängig davon, wie hoch oder niedrig das zulässige und für die Roaming-Leistungen angemessene Entgelt ist, steht der Beklagten jedenfalls ein höherer Betrag als das Grundentgelt zu. Da das Begehren des Klägers ausschließlich auf das Grundentgelt abstellt, besteht es nicht zu Recht.
Auch die Frage, ob die Beklagte allenfalls auf Grund von Schutz- und Sorgfaltspflichten verpflichtet gewesen wäre, den Kläger von einer Überschreitung des Grundentgelts wegen Roaming ab einem gewissen Ausmaß in Kenntnis zu setzen, stellt sich nicht. Der Kläger macht, wie gesagt, keinen Schadenersatzanspruch (und dessen außergerichtliche Aufrechnung) geltend.
Darauf, ob das Verhalten der Mitarbeiter der T***** GmbH der Beklagten zuzurechnen ist, kommt es daher ebenfalls nicht an.