04.04.2014 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit iSd § 332 Abs 5 ASVG – zur Frage, ob in Bezug auf die subjektive Tatseite zwischen der auf die Tathandlung bezogenen Willensrichtung (Misshandlung) und den lediglich leicht fahrlässigen in Kauf genommenen Folgen (Körperverletzung) differenziert werden muss und erstere als Haftungstatbestand für die Legalzession nach § 332 ASVG ausreicht

Grobe Fahrlässigkeit nach dem ASVG ist mit der auffallenden Sorglosigkeit nach bürgerlichem Recht gleichzusetzen; Vorsatz lässt sich nicht mit gröblichster Fahrlässigkeit gleichsetzen, sondern bedeutet böse Absicht; diese ist nur gegeben, wenn der Schaden widerrechtlich mit Wissen und Willen verursacht worden ist; der Vorsatz muss Eintritt und Umfang des Schadens umfassen


Schlagworte: Übergang von Schadenersatzansprüchen auf die Versicherungsträger, Schadenersatzrecht, Legalzession, Vorsatz; grobe Fahrlässigkeit, Misshandlung, Körperverletzung
Gesetze:

§ 332 ASVG, § 1324 ABGB, § 83 StGB

GZ 2 Ob 143/13p, 13.02.2014

 

Die Revisionswerberin führt aus, dass das Verhalten des Beklagten eine Vorsatztat iSd § 83 Abs 2 StGB darstelle, wobei die Begehungsart in der vorsätzlichen Misshandlung am Körper bestehe, und für den Erfolg (Art und Umfang der Körperverletzung) nicht Vorsatz verlangt werde, sondern Fahrlässigkeit genüge. Es liege eine Tat mit Vorsatz iSd § 1294 ABGB vor, für den der Beklagte der Klägerin gem § 332 ASVG zu haften habe. Vorsatz in Bezug auf einen - schweren - Erfolg der Misshandlung sei nicht Tatbestandsmerkmal des § 83 Abs 2 StGB. Wenn die Tat nach dem Strafrecht zu ahnden gewesen wäre und für die zivilrechtliche Beurteilung Bindungswirkung entfaltet hätte, könne sie auch zivilrechtlich nicht anders denn als im Rahmen des § 1294 ABGB haftungsbegründende Vorsatztat gewertet werden.

 

OGH: Nach der umfangreichen Judikatur des OGH ist grobe Fahrlässigkeit nach dem ASVG aber mit der auffallenden Sorglosigkeit nach bürgerlichem Recht gleichzusetzen.

 

Auch zum Vorsatz iSd § 333 ASVG besteht bereits Judikatur dahingehend, dass sich dieser nicht mit gröblichster Fahrlässigkeit gleichsetzen lässt, sondern böse Absicht bedeutet. Diese ist nur gegeben, wenn der Schaden widerrechtlich mit Wissen und Willen verursacht worden ist. Der Vorsatz muss Eintritt und Umfang des Schadens umfassen.

 

Weshalb es trotz dieser Judikatur auf die in der Revision dargestellten Voraussetzungen für die strafrechtliche Tatbestandsmäßigkeit der schweren Körperverletzung ankommen soll, ist nicht nachvollziehbar. Die Frage der allfälligen Bindung an ein Straferkenntnis ist schon deshalb nicht relevant, weil ein solches nicht vorliegt.

 

Bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit ist auf den Einzelfall abzustellen.

 

Sowohl zur Definition der groben Fahrlässigkeit als auch zu ihrer Unterscheidung von der leichten Fahrlässigkeit und vom vorsätzlichen Handeln liegt umfangreiche Judikatur vor. Für die Beurteilung der Schwere des Sorgfaltsverstoßes kommt es insbesondere auch auf die Gefährlichkeit der Situation an. Der Schadenseintritt muss dabei als wahrscheinlich voraussehbar gewesen sein.

 

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall durch das Berufungsgericht liegt im Rahmen des von der genannten Judikatur gezogenen Ermessensspielraums.