OGH: Sukzessive Kompetenz, Verfristung und zur Frage, inwieweit die Geltendmachung eines Wildschadens nach § 69 Oö JagdG gegenüber den Jagdpächtern konkretisiert sein muss
Um den Anspruch iSd § 69 Oö JagdG „geltend zu machen“ reicht es, wenn der Geschädigte dem Ersatzpflichtigen den Schaden meldet und diesen soweit konkretisiert, als es zur Festlegung des Gegenstands eines mangels gütlicher Einigung nachfolgenden Verfahrens erforderlich ist
§ 69 Oö JagdG, § 65 Oö JagdG, § 77 Oö JagdG
GZ 2 Ob 38/13x, 22.01.2014
Die Antragsgegner wiederholen ihren schon im Verfahren vor der Jagd- und Wildschadenskommission sowie im erstinstanzlichen Verfahren vertretenen Standpunkt und verweisen auf die Entscheidung 9 Ob 10/12d. Gegenstand des Verfahrens vor der Jagd- und Wildschadenskommission und im nachgeschalteten gerichtlichen Verfahren könne nur jener Schaden sein, der ordnungsgemäß iSd § 69 Oö JagdG gegenüber dem Jagdausübungsberechtigten geltend gemacht worden und noch nicht verfristet sei. Bereits in dieser Schadensmeldung sei die Konkretisierung des Schadens erforderlich. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass der Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Schadens erst im nachgeschalteten Verfahren amtswegig ermittelt werden könne, sei unrichtig und würde zu einem „Wiederaufleben“ des bereits verfristeten Anspruchs führen. Die Schadensmeldung habe nach der Rsp des OGH überdies die vom behaupteten Wildschaden betroffenen Grundstücke konkret zu nennen, was vom Rekursgericht nicht beachtet worden sei.
OGH: § 65 Abs 1 Oö JagdG sieht einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch gegen den Jagdausübungsberechtigten für allen entstandenen Jagd- und Wildschaden in dem in diesem Gesetz bestimmten Ausmaß vor.
Gem § 69 Oö JagdG ist der Anspruch auf Ersatz eines Jagd- oder Wildschadens binnen drei Wochen nach Bekanntwerden des Schadens bei sonstigem Verlust des Anspruchs beim Jagdausübungsberechtigten oder dessen Bevollmächtigten geltend zu machen. Über Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden entscheidet, sofern - wie hier - ein Übereinkommen zwischen dem Geschädigten und dem Jagdausübungsberechtigten nicht zustandekommt, die beim Gemeindeamt einzurichtende Jagd- und Wildschadenskommission (§ 70 Abs 2 Oö JagdG). Der Geschädigte hat nach § 73 Oö JagdG, wenn eine gütliche Vereinbarung mit dem Jagdausübungsberechtigten nicht zustande kommt, seinen Schadenersatzanspruch binnen zwei Wochen nach Ablauf der im § 69 festgesetzten Frist beim Obmann der Jagd- und Wildschadenskommission anzubringen. Gegen den Bescheid der Kommission ist eine Berufung an die Bezirksverwaltungsbehörde nicht zulässig. Er tritt jedoch außer Kraft, soweit eine Partei innerhalb von vier Wochen nach seiner Zustellung die Entscheidung der Sache im Verfahren außer Streitsachen beantragt. Im gerichtlichen Verfahren ist das EisbEG sinngemäß anzuwenden (§ 77 Abs 1 Oö JagdG). Gem § 77 Abs 5 Oö JagdG gelten für das Verfahren vor der Kommission im Übrigen die Bestimmungen des AVG.
Zur Zulässigkeit des Rechtswegs:
Seit der Oö Jagdgesetz-Novelle LGBl 1990/2 sieht das in § 70 Abs 2 und § 77 Abs 1 Oö JagdG eingerichtete Verfahren eine sukzessive Kompetenz der ordentlichen Gerichte vor.
Nach der Rsp des OGH kann das Gericht nach § 77 Oö JagdG iZm dem Ersatz von Jagd- und Wildschäden nur angerufen werden, wenn die Verwaltungsbehörde eine Sachentscheidung getroffen, nicht aber auch dann, wenn sie eine solche mangels Kognitionsbefugnis abgelehnt hat. Dies entspricht der Rsp zu § 117 WRG, der Vorbild für die Neufassung des § 77 Oö JagdG war.
Im vorliegenden Fall hat die Jagd- und Wildschadenskommission „das Anbringen“ der Antragstellerin um Feststellung der Schadenshöhe zurückgewiesen und in der Begründung dieses Bescheids die Zuständigkeit der Kommission verneint. Es ist zu prüfen, ob die Kommission ungeachtet dieses Wortlauts eine meritorische Entscheidung getroffen hat. Dabei kommt es nach hA nicht darauf an, welche Spruchform die Verwaltungsbehörde wählte, sondern auf den Inhalt des Spruchs. Eine Sachentscheidung liegt auch dann vor, wenn die Behörde aus in der Sache selbst begründeten Erwägungen eine begehrte Entschädigung abgelehnt hat. Nur gegen Entscheidungen der Behörde, mit denen Anträge wegen Fehlens der formellen Sachentscheidungsvoraussetzungen (zB wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit) nicht aber auch wegen mangelnder Anspruchslegitimation oder wegen Versäumung einer materiellrechtlichen Anspruchsfrist zurückgewiesen wurde, steht ausschließlich der administrative Instanzenzug offen.
Der OGH hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass die §§ 69 und 73 Oö JagdG gesetzliche Fallfristen enthalten, deren Versäumung den Anspruchsverlust zur Folge hat. Die Jagd- und Wildschadenskommission verneinte ihre Zuständigkeit, weil die Antragstellerin ihres Anspruchs mangels dessen ordnungsgemäßer Geltendmachung bei der Jagdgesellschaft iSd § 69 Oö JagdG „verlustig gegangen“ sei. Die Kommission ging demnach im Ergebnis vom Anspruchsverlust wegen Versäumung der in der genannten Bestimmung geregelten Fallfrist aus. Damit liegt aber nach den oben genannten Kriterien inhaltlich eine meritorische Entscheidung vor, gegen die das Gericht angerufen werden konnte.
Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist daher zu bejahen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin im vorgeschalteten Verfahren ihren Anspruch noch nicht beziffert hatte.
Zur Sache:
Schon die ebenfalls in einem Rechtsstreit zwischen den Streitteilen ergangene Entscheidung 9 Ob 10/12d hatte die Frage zum Gegenstand, inwieweit die Geltendmachung eines Wildschadens nach § 69 Oö JagdG gegenüber den Antragsgegnern konkretisiert sein müsse. Der 9. Senat führte dazu aus, dass einander die Auffassung des Erstgerichts, welches die Bekanntgabe des Ortes, der geschädigten Fläche und die Angabe der geschädigten Sache verlangt habe, sowie die Forderung „der Literatur“, wonach aus den Schadensmeldungen hervorgehen müsse, dass ein Wildschaden entstanden, wann dieser bekannt geworden und wer der Geschädigte sei, ergänzen würden; müsse doch der Wildschaden auch für den Ersatzpflichtigen so weit zuordenbar sein, dass er die Grundlage seiner Haftung erkennen und sie im Falle einer neuen Geltendmachung von Schäden von einer weiteren Haftung abgrenzen könne. Im damaligen Anlassfall hatte die Antragstellerin diesen Anforderungen aber ohnedies entsprochen, sodass der 9. Senat keine Veranlassung hatte sich konkret zu der Frage zu äußern, ob schon das Fehlen einzelner der (vom Erstgericht oder in „der Literatur“) geforderten Angaben bei Geltendmachung des Anspruchs beim Jagdausübungsberechtigten zum Anspruchsverlust führt.
Die in der zitierten Entscheidung erwähnte Literaturstelle beschränkt sich allerdings auf die auszugsweise Wiedergabe eines vor der Einführung der sukzessiven Kompetenz ergangenen Erkenntnisses des VwGH (vom 28. 11. 1984, 83/03/0013). Diesem lag der Fall zugrunde, dass der Anspruch nicht von der Geschädigten, sondern von deren Ehemann geltend gemacht worden war. Der VwGH vertrat die Auffassung, aus dem normativen Zusammenhang und der Systematik der §§ 69, 70 und 73 Oö JagdG ergebe sich, dass die Geltendmachung des Anspruchs auf Wildschadenersatz nach § 69 Oö JagdG bestimmten Anforderungen zu entsprechen habe, solle der Anspruch nicht verlustig gehen. So müsse aus ihr hervorgehen, dass ein Wildschaden entstanden und wann dieser bekannt geworden sei, aber auch in wessen Vermögen der Schaden eingetreten sei, wer also der Geschädigte sei. Für diese Auslegung spreche die klare, aus den angeführten Bestimmungen hervorleuchtende Absicht des Gesetzgebers, dass sich zunächst die Beteiligten über den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Wildschadens einigen und erst dann, wenn es zu keiner Vereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Jagdausübungsberechtigten (oder dessen Bevollmächtigten) komme, die Kommission zu entscheiden habe. Das Gesetz räume einem Vergleich der Parteien in diesen Angelegenheiten Vorrang ein. Das Zustandekommen einer Vereinbarung setze aber voraus, dass die Beteiligten, und zwar sowohl der Ersatzpflichtige als auch der Geschädigte zweifelsfrei feststünden. Daraus folge, dass nur eine auf alle Tatbestandselemente des § 69 Oö JagdG iS dieser Darlegungen bezogene Geltendmachung des Anspruchs auf Wildschadenersatz den Verlust des Anspruchs auszuschließen vermöge.
Der erkennende Senat vermag dieser Auslegung des § 69 Oö JagdG nicht uneingeschränkt zu folgen:
Weder der Wortlaut der landesgesetzlichen Regelung noch die Gesetzesmaterialien bieten einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber den Anspruchsverlust nicht bloß an die Versäumung der - nur dreiwöchigen (!) - Fallfrist, sondern auch an die Nichteinhaltung besonderer formaler oder inhaltlicher Erfordernisse anlässlich der Geltendmachung des Anspruchs beim Jagdausübungsberechtigten knüpfen wollte. Um den Anspruch iSd § 69 Oö JagdG „geltend zu machen“ reicht es vielmehr, wenn der Geschädigte dem Ersatzpflichtigen den Schaden meldet und diesen soweit konkretisiert, als es zur Festlegung des Gegenstands eines mangels gütlicher Einigung nachfolgenden Verfahrens erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier aber durch die Behauptung der Antragstellerin, dass auf ihren Sojafeldern massive Wildschäden eingetreten seien, erfüllt.
Entgegen der im erörterten Erkenntnis des VwGH vertretenen Ansicht ist nämlich nicht ersichtlich, warum die fehlende Angabe, wann der Schaden bekannt wurde, eine gütliche Einigung der Parteien vor Anrufung der Jagd- und Wildschadenskommission hindern sollte. Auch die Nennung eines Datums böte keine Gewähr für dessen Richtigkeit und es bliebe bis zu einer allfälligen Klarstellung in einem Ermittlungsverfahren ungewiss, ob der geltend gemachte Anspruch (noch) besteht. Erst im Verfahren selbst sind sämtliche Anspruchsvoraussetzungen schlüssig darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, was auch für die materiellrechtlichen Fallfristen gilt.
Diesem Verständnis entspricht die Entscheidung 1 Ob 507/96. In dieser wurde trotz des auch dort von den Antragsgegnern erhobenen Einwands, dass die Schadensmeldung an den bevollmächtigten Jagdleiter den Zeitpunkt der Schadensfeststellung nicht enthalten habe und das Schadenersatzbegehren daher verfristet sei, dem Rekursgericht die Erledigung der Beweisrüge der Antragsgegner aufgetragen, die gegen eine sie belastende Negativfeststellung über den Zeitpunkt der Kenntniserlangung gerichtet war.
Offenbar aus diesen Erwägungen heraus hat bereits das Marktgemeindeamt, bei dem die Jagd- und Wildschadenskommission errichtet ist, der Antragstellerin zunächst einen Verbesserungsauftrag erteilt (§ 13 Abs 3 AVG), dem sie auch nachgekommen ist. Aus ihrer Behauptung, der Schaden sei ihr am 22. 5. 2011 bekannt geworden, würde sich die Rechtzeitigkeit der Geltendmachung des Anspruchs bei den Antragsgegnern (und in weiterer Folge auch des Antrags bei der Kommission) ergeben. Auch im gegenständlichen Verfahren hat die Antragstellerin die fristgerechte Geltendmachung behauptet, wobei ihr der - von ihr auch angetretene - Beweis für diese Behauptung oblag. Zu Recht hat das Rekursgericht daher die in der Unterlassung der (auch) zu diesem Beweisthema beantragten Einvernahme der Antragstellerin gelegene und in deren Rekurs gerügte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens bejaht.
Sollte im fortgesetzten Verfahren von der fristgerechten Geltendmachung des Anspruchs auszugehen sein, wäre ein Anspruchsverlust nach § 69 Oö JagdG nie eingetreten. Von einem „Wiederaufleben“ des Anspruchs könnte deshalb entgegen der Argumentation der Antragsgegner keine Rede sein.
Schließlich bleibt festzuhalten, dass die Antragstellerin den Ort des Schadenseintritts mit „meinen Sojafeldern“ ausreichend konkret bezeichnet hat. Dass zwischen den Streitteilen über deren Lage kein Zweifel bestand, belegt die festgestellte Tatsache, dass sie sich „an Ort und Stelle“ zu einer Besichtigung des Schadens einfanden, die nur wegen der aufgetretenen „Klimaverschärfung“ frühzeitig abgebrochen wurde. Ort, geschädigte Fläche und beschädigte Sache waren den Antragsgegnern aufgrund der Geltendmachung des Anspruchs somit hinreichend bekannt.