OGH: Gewährleistung bei Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs (hier: Lieferung eines fahrbereiten, verkehrstauglichen Traktors, allerdings in einem der Anzahl der Betriebsstunden entsprechenden Zustand und mit - bei Kälte erst nach einigen Kilometern - funktionierender Lastschaltung)
Beim Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs müssen gewisse „Mangelerscheinungen“ innerhalb eines gewissen Rahmens hingenommen werden, die dem Verschleiß und der Abnützung durch das Alter und die gefahrenen Kilometer entsprechen; im Allgemeinen gilt jedoch die Fahrbereitschaft sowie die Verkehrs- und Betriebssicherheit als vereinbart; diese Grundsätze gelten auch für den Kauf eines Traktors von einem gewerblichen Unternehmer
§§ 922 ff ABGB, § 871 ABGB
GZ 2 Ob 196/13g, 19.12.2013
OGH: § 922 Abs 1 ABGB enthält die Vermutung, dass die geschuldete Leistung die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat und dass sie der Natur des Geschäfts oder der getroffenen Vereinbarung gemäß verwendet werden kann. Mangels gegenteiliger Abrede sind diese Eigenschaften als stillschweigend mitvereinbart anzusehen, wobei für die Konkretisierung des Leistungsinhalts im Einzelnen die Verkehrsauffassung und die Natur des Geschäfts (§ 923 ABGB) von Bedeutung sind.
Beim Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs müssen gewisse „Mangelerscheinungen“ innerhalb eines gewissen Rahmens hingenommen werden, die dem Verschleiß und der Abnützung durch das Alter und die gefahrenen Kilometer entsprechen. Im Allgemeinen gilt jedoch die Fahrbereitschaft sowie die Verkehrs- und Betriebssicherheit als vereinbart. Diese Grundsätze gelten auch für den Kauf eines Traktors von einem gewerblichen Unternehmer.
Wird einem Käufer aber offen gelegt, dass bestimmte mögliche Negativeigenschaften des Kaufobjekts zu Tage treten könnten, dass er also diesbezüglich mit dem Abweichen von der ansonsten geschuldeten Qualität der Leistung rechnen muss, dann wird bei einer solchen Leistungsbeschreibung nur die mindere Qualität Vertragsinhalt.
Der Kläger kaufte einen gebrauchten Traktor mit einer Lastschaltung. Nach der Verkehrsauffassung und der Natur des Rechtsgeschäfts war die Funktionsfähigkeit der Lastschaltung grundsätzlich als gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft iSd § 922 ABGB anzusehen. Dem Kläger wurde aber auch offengelegt, dass der Traktor bereits 6.500 Betriebsstunden hatte. Darüber hinaus wurde dem Kläger nach der Probefahrt erklärt, dass die Lastschaltung bei Kälte nicht oder zumindest nicht auf Anhieb funktioniert.
Ob ein Mangel vorliegt, richtet sich nach dem konkreten Vertragsinhalt. Eine Leistung ist dann als mangelhaft anzusehen, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem Geschuldeten zurückbleibt.
Die von der beklagten Partei geschuldete Leistung bestand in der Lieferung eines fahrbereiten, verkehrstauglichen Traktors, allerdings in einem der Anzahl der Betriebsstunden entsprechenden Zustand und mit - bei Kälte erst nach einigen Kilometern - funktionierender Lastschaltung.
Schon aus dem Prozessvorbringen des Klägers, er habe den Traktor im Sommer 2011 ohne Lastschaltung verwendet, ergibt sich, dass die Fahrbereitschaft des Traktors und dessen Verkehrs- und Betriebssicherheit unabhängig von der Funktionsfähigkeit der Lastschaltung gegeben war (so auch der Sachverständige: „Nachdem die Lastschaltung nicht mehr funktioniert hat, konnte der Kläger den Traktor jedenfalls weiter verwenden. Es hat ja das eigentliche Getriebe mit den 16 Gängen trotzdem funktioniert [...]“; vgl AS 54). Als Mangel der geschuldeten Leistung käme demnach nur ein Sachmangel (der Defekt der Lastschaltung) in Betracht, der keine Auswirkungen auf die Fahrbereitschaft und die Verkehrstauglichkeit des Traktors hat.
Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt tatsächlich maßgeblich von jenem, der den vom Kläger zur Stütze seiner Rechtsansicht zitierten Entscheidungen 7 Ob 732/89 (brüchige Benzinleitung) und 6 Ob 272/05a (Getriebeschaden eines Traktors) zugrunde lag. In beiden Fällen bewirkte der Mangel, dass das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit war. Dem Berufungsgericht ist es daher nicht als korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vorwerfbar, wenn es zu dem Ergebnis gelangte, dass sich die damaligen Anlassfälle von dem hier zu beurteilenden Sachverhalt grundsätzlich unterschieden.