03.01.2014 Zivilrecht

OGH: Ermordung des Voreigentümers als wichtiger Grund für die Auflösung des dinglichen Wohnrechts?

Für dingliche Wohnrechte ist zwar ein wesentlich höheres Gewicht des Auflösungsgrundes erforderlich; die Auffassung, wonach die Ermordung des Eigentümers der dienenden Sache diese Bedingung erfüllt, ist aber jedenfalls vertretbar


Schlagworte: Dienstbarkeit, dingliches Wohnrecht, Auflösung, wichtiger Grund, Ermordung des Voreigentümers
Gesetze:

§§ 472 ff ABGB

GZ 4 Ob 198/13s, 19.11.2013

 

OGH: Im ABGB ist ein Erlöschen eines dinglichen Wohnrechts aus wichtigen Gründen nicht ausdrücklich vorgesehen. Im Weg der Analogie hat die Rsp eine außerordentliche Aufkündigung auch solcher Rechtsverhältnisse aus sehr schwerwiegenden Gründen, gleichsam als „äußerstes Notventil“, bejaht. Die Auflösung von verbücherten und daher auf eine stärkere Bindung abzielenden Wohnungsrechten erfordert, dass die dafür in Betracht kommenden Gründe ein noch höheres Gewicht haben müssen als jene, die für die Auflösung von Dauerschuldverhältnissen allgemein genügen. Ob das im Einzelfall zutrifft, hängt von den konkreten Umständen ab.

 

Im konkreten Fall ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Die Klägerin zeigt richtig auf, dass ein fehlgeschlagener Mordversuch den Eigentümer jedenfalls zur Beendigung der Dienstbarkeit berechtigt hätte; Gleiches muss für seine mit ihm verwandte Rechtsnachfolgerin im Fall des vollendeten Delikts gelten. Zwar hat der OGH in zwei Entscheidungen ausgesprochen, dass der Vertrauensverlust einen Bezug zum konkreten Dauerschuldverhältnis haben müsse, um eine Auflösung zu rechtfertigen. Daran ist im Allgemeinen festzuhalten. Für den hier zu beurteilenden Fall ist aber auch die Wertung des § 30 Abs 1 Z 3, 3. Fall, MRG zu berücksichtigen. Danach kann ein Mietvertrag wegen einer nicht bloß geringfügigen strafbaren Handlung gegen den Vermieter gekündigt werden. Dieses Verhalten muss keinen Bezug zum Mietverhältnis haben. Für dingliche Wohnrechte ist zwar nach der oben dargestellten Rsp ein wesentlich höheres Gewicht des Auflösungsgrundes erforderlich. Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die Ermordung des Eigentümers der dienenden Sache diese Bedingung erfüllt, ist aber jedenfalls vertretbar. Eine strafbare Handlung gegen den Vertragspartner war in den Entscheidungen 1 Ob 238/03m und 5 Ob 220/09b nicht zu beurteilen, sodass deren - wenngleich allgemein gehaltenen - Ausführungen nicht zwingend auf den vorliegenden Fall übertragen werden müssen. Ebenfalls vertretbar ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass ein derart schwerwiegender Grund für die Beendigung des Rechtsverhältnisses nicht durch gegenläufige Interessen des Wohnberechtigten an dessen Aufrechterhaltung aufgewogen werden.

 

Auf einen schlüssigen Verzicht auf das Auflösungsrecht durch nicht unverzügliche Geltendmachung haben sich die Beklagten in erster Instanz nicht gestützt; von Amts wegen war darauf nicht Bedacht zu nehmen. Das dazu erstattete Revisionsvorbringen ist daher eine unzulässige Neuerung.