OGH: Zum Zwangsgerichtsstand des Art 22 Nr 1 EuGVVO bei Miete und Pacht
Eine Klage aus der Verpachtung eines Hotels oder eines Ladengeschäftes unterliegt nicht dem Zwangsgerichtsstand des Art 22 EuGVVO; eine Gerichtsstandsvereinbarung ist daher zulässig
Art 22 EuGVVO, Art 16 LGVÜ
GZ 2 Ob 63/13y, 19.09.2013
OGH: Nach Art 22 Nr 1 EuGVVO sind ohne Rücksicht auf den Wohnsitz für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats ausschließlich zuständig, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Es handelt sich dabei nach der österreichischen Terminologie um eine internationale Zwangszuständigkeit, die sowohl die allgemeine Zuständigkeit der Gerichte im (Wohn-)Sitzstaat des Beklagten (Art 2 EuGVVO) als auch die besonderen Zuständigkeiten (Art 5 ff EuGVVO) verdrängt.
Der EuGH hat zur Vorgängerbestimmung Art 16 LGVÜ ausgesprochen, dass Streitigkeiten über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen häufig Nachprüfungen, Ermittlungen und die Tätigkeit von Sachverständigen erfordern, die notwendigerweise am Ort erfolgen müssen, sodass die Einräumung einer ausschließlichen Zuständigkeit im Interesse eines sachgerechten Rechtsschutzes liegt. Miete und Pacht unbeweglicher Sachen sind im Allgemeinen durch besondere Rechtsvorschriften geregelt und die Anwendung dieser Vorschriften sollte, namentlich wegen ihrer Kompliziertheit, besser den Gerichten des Landes ausschließlich überlassen werden, in dem sie gelten.
Diese Überlegungen gelten aber nicht, wenn der Hauptgegenstand des Vertrags anderer Natur ist, insbesondere wenn er die Verpachtung eines Ladengeschäfts zum Gegenstand hat. Der Begriff „Miete und Pacht von unbeweglichen Sachen“ ist daher nicht in dem Sinne auszulegen ist, dass er einen Vertrag über die Verpachtung eines Ladengeschäfts umfasst, welches in einer vom Verpächter von einem Dritten gemieteten unbeweglichen Sache betrieben wird.