VwGH: Unterlassungsdelikt und konkreter Vorhalt des gebotenen Tuns (hier: iZm § 4 ASchG)
Beim Tatbild des § 4 ASchG genügt ein ausreichend konkreter Vorhalt der Unterlassung; konkrete zu setzende Maßnahmen müssen bei diesem Tatbild nicht vorgehalten werden; die gegenteilige, zum Lebensmittelrecht ergangene Jud ist auf § 4 ASchG nicht übertragbar
§ 4 ASchG
GZ 2013/02/0047, 11.09.2013
Der Arbeitgeber ließ seine Arbeitnehmer bei einem Kunden Wartungsarbeiten an der Klimaanlage eines Eisenbahnwagons durchführen. Eine ordnungsgemäße Ermittlung und Beurteilung der Gefahren fand nicht statt. Der Wagon wurde nicht ordnungsgemäß vom Stromkreis getrennt. Ein Arbeitnehmer geriet in den Stromkreis. Der handelsrechtliche Geschäftsführer des Arbeitgebers wurde wegen Übertretung des ASchG bestraft. In der Beschwerde relevierte er verschiedene seiner Ansicht nach gegebenen Fehler des Straferkenntnisses.
VwGH: Einen Fehler im Spruch des angefochtenen Bescheides sieht der Bf darin, dass die belBeh in Wiedergabe des § 4 Abs 1 ASchG zwar die vorgeworfene Unterlassung beschrieben, es allerdings verabsäumt habe darzutun, welche konkreten Maßnahmen erforderlich gewesen wären, um die bestehende Gefahr eines Stromschlags zu ermitteln. Dem angesprochenen Erkenntnis lässt sich eine solche Verpflichtung nicht entnehmen. Zur Erfüllung des Tatbildes des § 4 ASchG ist die Feststellung "konkreter Maßnahmen", wie bestehende Gefahren zu ermitteln gewesen wären, nicht erforderlich, sondern es genügt die Missachtung der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ermittlung und Beurteilung solcher Gefahren.
Im Erkenntnis vom 11. November 1991, Zl 91/10/0026, findet sich allerdings die Aussage, dass bei einem Unterlassungsdelikt der Spruch eines Bescheides jene Handlung, die nach Ansicht der belBeh gesetzt hätte werden müssen, enthalten müsse, wenn sich das nicht schon mit hinreichender Bestimmtheit ergibt. Diese Rsp betrifft allerdings Verwaltungsübertretungen nach § 75 Abs 5 Z 3 iVm § 20 LMG und der Bf nennt auch keine Begründung dafür, weshalb diese Grundsätze im konkreten Fall anwendbar sein sollten, zumal - wie oben festgehalten - der in Rede stehende Tatbestand auch ohne eine solche (positive) Umschreibung erfüllt ist.
Folgte man den Argumenten des Bf, hätte der Arbeitgeber von der lebensgefährlichen Spannung der Anlage gar nichts wissen müssen und es träfe ihn auch keine Erkundigungspflicht, was dazu führte, dass sein Arbeitnehmer an einer "auswärtigen" Arbeitsstelle ohne entsprechenden Arbeitnehmerschutz tätig werden müsste, zumal den Vertragspartner des Arbeitgebers solche Pflichten nicht träfen. Der Standpunkt des Bf führte also dazu, dass - selbst ohne ausdrückliche Vereinbarung - die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer an einen Dritten ausgelagert würde, der allenfalls nicht den strengen Regeln des Arbeitnehmerschutzes hinsichtlich des konkreten Arbeitnehmers unterliegt. Solchen Folgen stehen die zwingenden Normen des ASchG entgegen.