25.11.2013 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Invaliditätspension – § 255 Abs 2 zweiter Satz ASVG idF des BugetbegleitG 2011 und Selbständigkeit

Voraussetzung für den Berufsschutz nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG ist nunmehr, dass der Versicherte überwiegend als Angestellter oder in angelernten/erlernten Berufen tätig war, also innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten (7,5 Jahre) eine Erwerbstätigkeit in erlernten/angelernten Berufen oder als Angestellter ausgeübt hat; Zeiten einer selbständigen Tätigkeit nach dem GSVG haben für die Frage des Berufsschutzes nach dieser Gesetzesstelle weiterhin außer Betracht zu bleiben


Schlagworte: Pensionsversicherung, Invaliditätspension, angelernter/erlernter Beruf, Angestellter, Selbständigkeit
Gesetze:

§ 255 ASVG, § 254 ASVG, § 133 GSVG

GZ 10 ObS 116/13a, 12.09.2013

 

OGH: Nach § 255 Abs 2 zweiter Satz ASVG idF des BugetbegleitG 2011 liegt eine überwiegende Tätigkeit iSd Abs 1 vor, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit nach Abs 1 oder als Angestellte/r ausgeübt wurde.

 

Nach den Gesetzesmaterialien besteht Übereinstimmung darin, dass künftig nur eine längere tatsächliche Ausübung des erlernten (angelernten) Berufs geschützt werden und daher zur Erlangung des Berufsschutzes erforderlich sein soll. Als Erfordernis für das Bestehen eines Berufsschutzes muss daher (für Stichtage ab 1. 1. 2011) die Ausübung von mindestens 7,5 Jahren einer solchen qualifizierten Tätigkeit innerhalb von 15 Jahren vor dem Stichtag vorliegen. Diese Regelung soll künftig auch für Angestellte gelten, wobei zur Erhaltung des Berufsschutzes alle „geschützten“ ArbeiterInnentätigkeiten bei ArbeiterInnen und alle Angestelltentätigkeiten zusammengerechnet werden, sodass beispielsweise mit 5 Jahren Tätigkeit als Schlosser und 3 Jahren Tätigkeit als Einzelhandelskaufmann der Berufsschutz in jeder dieser Tätigkeiten erhalten bleibt, aber auch auf das Verweisungsfeld für beide Tätigkeiten verwiesen werden kann.

 

Durch das BugetbegleitG 2011 wurden die neuen Voraussetzungen für den Berufsschutz auch für selbständig Erwerbstätige eingeführt, sodass als erwerbsunfähig iSd § 133 Abs 2 GSVG nunmehr eine versicherte Person gilt, wenn - neben den in § 133 Abs 2 Z 1 bis 3 GSVG genannten Voraussetzungen - innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine selbständige Erwerbstätigkeit nach Z 3 oder eine Erwerbstätigkeit als Angestellte/r oder nach § 255 Abs 1 ASVG ausgeübt wurde.

 

Der OGH hat in der Entscheidung 10 ObS 165/12f die Frage, ob bei der Beurteilung des in gleicher Weise geregelten Berufsschutzes nach § 273 Abs 1 ASVG idF des BugetbegleitG 2011 neben Beitragsmonaten einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (als gelernter oder angelernter Arbeiter oder als Angestellter) zusätzlich - obwohl sie im Gesetzestext nicht genannt sind - auch Zeiten der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nach dem GSVG zu berücksichtigen sind, mit der Begründung verneint, dass eine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke nicht vorliegt. Gegen eine planwidrige Unvollständigkeit des § 273 Abs 1 ASVG sprechen bereits die Gesetzesmaterialien zum BugetbegleitG 2011. Nach diesen bestand Übereinstimmung darin, dass künftig nur eine längere tatsächliche Ausübung des erlernten/angelernten Berufs geschützt werden und daher zur Erlangung des Berufsschutzes erforderlich sein soll. Sollten die Voraussetzungen für die Erlangung des Berufsschutzes im Vergleich zur bisher geltenden Gesetzeslage, die keine Berücksichtigung von Beitragsmonaten nach dem GSVG zuließ, also erschwert werden, liefe deren nunmehrige Berücksichtigung der Intention des Gesetzesgebers zuwider. Wurden die neuen (erschwerten) Voraussetzungen zugleich für den Bereich des GSVG eingeführt, kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, dass er bei Normierung der neuen Voraussetzungen für die Erlangung des Berufsschutzes das etwaige Vorliegen von Beitragsmonaten nach dem GSVG nicht Bedacht hätte. Eine Ergänzung des § 273 Abs 1 ASVG um Beitragsmonate nach dem GSVG widerspräche demnach der vom Gesetz gewollten Beschränkung (10 ObS 165/12f).

 

Diese dargelegten Grundsätze müssen - wie der erkennende Senat jüngst in der Entscheidung 10 ObS 92/13x ausgeführt hat -, in gleicher Weise für die gleichlautende Bestimmung des § 255 Abs 2 zweiter Satz ASVG gelten. Es sind daher auch für die Erlangung des Berufsschutzes nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG nur qualifizierte Tätigkeiten als gelernte oder angelernte Arbeiter sowie Angestelltentätigkeiten zu berücksichtigen, während Zeiten einer selbständigen Tätigkeit nach dem GSVG für die Frage des Berufsschutzes nach dieser Gesetzesstelle weiterhin außer Betracht zu bleiben haben.

 

Die vom Revisionswerber gegen diese Rechtsansicht geäußerten Einwände überzeugen nicht. Die Berücksichtigung von Versicherungszeiten nach dem GSVG und dem BSVG gem § 251a Abs 8 ASVG gilt nicht für die Frage des Berufsschutzes (§ 255), sondern nur für die Wartezeit (§ 235) und die Bemessung von Leistungen. Die vom Revisionswerber für seinen Rechtsstandpunkt zitierte Entscheidung 10 ObS 4/05v betrifft nicht die Frage des Berufsschutzes nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG sondern - die davon zu unterscheidende - Frage des Tätigkeitsschutzes nach § 255 Abs 4 ASVG.