25.11.2013 Zivilrecht

OGH: Zur Unterfertigung einer Vereinbarung mit einer Gemeinde durch den Vizebürgermeister

Auch einer Gemeinde gegenüber kann man sich auf das Prinzip des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand berufen, sodass die Fertigung einer Urkunde durch den Vizebürgermeister auch rechtswirksam ist, wenn Zweifel an der Verhinderung des Bürgermeisters bestehen


Schlagworte: Gesetzlicher Vertreter, Kollektivvertretung, Gemeinde, Bürgermeister, Vizebürgermeister, Gemeindevorstand, Vorarlberg
Gesetze:

§ 867 ABGB, § 69 Vlbg GG, § 62 Vlbg GG

GZ 2 Ob 173/12y, 29.05.2013

 

OGH: Der OGH hält an der Auffassung fest, dass die in Organisationsvorschriften von juristischen Personen öffentlichen Rechts enthaltenen Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe auch im Außenverhältnis wirksam sind.

Gem § 69 Abs 1 Vlbg GG bedürfen Rechtsgeschäfte, die privatrechtliche Verpflichtungen gegenüber Dritten zum Inhalt haben und der Beschlussfassung der Gemeindevertretung und des Gemeindevorstands vorbehalten sind, der Schriftform. Derartige Urkunden sind vom Bürgermeister und einem Mitglied des Gemeindevorstands zu unterfertigen. Gem Abs 4 tritt eine Verpflichtung der Gemeinde nur ein, wenn diese Vorschriften eingehalten wurden. Die Anordnung der Kollektivzeichnung ist ein Fall der Kollektivvertretung und eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Bürgermeisters.

 

Im vorliegenden Fall wurde im Gemeindevorstand ein ordnungsgemäßer Beschluss gefasst. Die Vertragsurkunde wurde auch von einem Mitglied des Gemeindevorstands (mit)unterfertigt. Damit wurde dem Zweck der gemeinderechtlichen Kollektivzeichnungsnorm jedenfalls entsprochen. Es fehlt allerdings die Fertigung der Urkunde durch den Bürgermeister; statt diesem hat der Vizebürgermeister unterschrieben. § 62 Abs 3 Vlbg GG räumt dem Stellvertreter des Bürgermeisters („Vizebürgermeister“) dieselben Kompetenzen wie dem Bürgermeister ein, Voraussetzung ist jedoch, dass der Bürgermeister verhindert oder sein Amt erloschen ist. Der Begriff der „Verhinderung“ ist im Gesetz nicht geregelt.

 

Vorliegend hat sich der Bürgermeister im Vorfeld der Beschlussfassung des Gemeindevorstandes um eine Streitbeilegung bemüht und auch den Vorstandsmitgliedern den Eindruck seiner Zustimmung vermittelt, er war bei der Unterzeichnung der Vertragsurkunde anwesend, hat aber aus ungeklärten Gründen die Urkunde nicht selbst unterfertigt sondern den Vizebürgermeister unterschreiben lassen. Die Anwesenheit des Bürgermeisters bei der Unterzeichnung der Vereinbarung bedeutet aber nicht, dass ein Verhinderungsfall nicht in Frage kam. Ein solcher konnte etwa in einer Befangenheit des Bürgermeisters bestanden haben. Selbst wenn aber der Bürgermeister nicht befangen war, durfte der Vertragspartner der Gemeinde aufgrund des im Gesamtverhalten begründeten Anscheins aber redlicherweise darauf vertrauen, dass ein Verhinderungsfall vorlag. Auch einer Gemeinde gegenüber kann man sich auf das Prinzip des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand berufen.