OGH: § 19d Abs 6 AZG – Benachteiligung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer (iZm zeitabhängigerAußendienstzulage)
Von § 19d Abs 6 AZG sind grundsätzlich die gesamten Entgelt- und Arbeitsbedingungen erfasst; bei der Entlohnung von Teilzeitbeschäftigten sind dieselben Grundsätze anzuwenden, wie sie auch für Vollzeitbeschäftigte gelten; insbesondere ist bei unternehmensinternen Zulagen, umgerechnet auf die Arbeitszeit, keine Schlechterstellung erlaubt
§ 19d AZG
GZ 9 ObA 58/13i, 27.09.2013
Gem § 74 Abs 1 DO.A kann den regelmäßig im Außendienst verwendeten Angestellten - auch neben den Reisegebühren (§ 71 DO.A) - eine Außendienstzulage, abgestuft nach der Dauer der Verwendung im Außendienst und nach der Verwendung am Dienstort oder außerhalb desselben, gewährt werden.
Die Beklagte gewährt ihren Angestellten eine Außendienstzulage. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Außendienstzulage hat die Beklagte in ihrer Dienstanweisung vom 17. 9. 2007 geregelt. Danach liegt eine regelmäßige Verwendung im Außendienst vor, wenn der Mitarbeiter über einen Beobachtungszeitraum von sechs Kalendermonaten im Durchschnitt das für die jeweilige Außendienstzulage der Höhe nach geforderte Ausmaß an Außendiensttätigkeit pro Monat verrichtet hat. Der Höhe nach ist die Außendienstzulage in drei Typen untergliedert: Die Gewährung der großen Außendienstzulage setzt eine Außendiensttätigkeit im Ausmaß von durchschnittlich mindestens acht Arbeitstagen mit einer berufsbedingten ununterbrochenen Abwesenheit von mehr als vier Stunden von der Dienststelle voraus, die mittlere Außendienstzulage eine Außendiensttätigkeit im Ausmaß von durchschnittlich mindestens vier Arbeitstagen mit einer berufsbedingten ununterbrochenen Abwesenheit von mehr als vier Stunden von der Dienststelle und die kleine Außendienstzulage eine Außendiensttätigkeit von durchschnittlich mindestens acht Arbeitstagen mit einer berufsbedingten ununterbrochenen Abwesenheit von mehr als zwei Stunden von der Dienststelle, jeweils pro Kalendermonat voraus. Durchrechnungszeitraum ist das Kalenderquartal.
OGH: Gem § 19d Abs 6 AZG dürfen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern nicht benachteiligt werden, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Freiwillige Sozialleistungen sind zumindest in jenem Verhältnis zu gewähren, das dem Verhältnis der regelmäßig geleisteten Arbeitszeit zur gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit entspricht. Im Streitfall hat der Arbeitgeber zu beweisen, dass eine Benachteiligung nicht wegen der Teilzeitarbeit erfolgt.
Diese - nach § 19g AZG unabdingbare - Bestimmung bindet jedenfalls die Vertragspartner des Arbeitsvertrags.
Von § 19d Abs 6 AZG sind grundsätzlich die gesamten Entgelt- und Arbeitsbedingungen erfasst. Bei der Entlohnung von Teilzeitbeschäftigten sind dieselben Grundsätze anzuwenden, wie sie auch für Vollzeitbeschäftigte gelten. Insbesondere ist bei unternehmensinternen Zulagen, umgerechnet auf die Arbeitszeit, keine Schlechterstellung erlaubt.
Das AZG verbietet die unterschiedliche Behandlung „wegen der Teilzeitarbeit“. Differenzierungen aus anderen Gründen sind erlaubt.
Auch wegen der Teilzeitarbeit ist eine unterschiedliche Behandlung gestattet, wenn sachliche Gründe sie rechtfertigen. Die Sachlichkeit ist stets danach zu beurteilen, ob es der - nicht diskriminierende - Zweck einer Regelung rechtfertigt, Teilzeitbeschäftigte anders zu behandeln als Vollzeitbeschäftigte. Dabei sind nur solche Regelungsziele anzuerkennen, die die Gleichwertigkeit von Teilzeitbeschäftigung und Vollzeitbeschäftigung respektieren. Die Maßnahme muss durch objektive Faktoren gerechtfertigt sein.
Die Außendienstzulage der DO.A ist eine Zulage eigener Art, der vornehmlich Entgeltcharakter, nämlich Abgeltung für die mit dem Außendienst verbundene Unbequemlichkeit zukommt. Ausgehend von diesem Leistungszweck der Außendienstzulage indiziert zwar noch nicht § 74 DO.A, wohl aber die gegenständliche Dienstanweisung über die Gewährung einer Außendienstzulage vom 17. 9. 2007 einen Verstoß gegen § 19d Abs 6 AZG, weil teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter im Verhältnis zu ihrem Beschäftigungsausmaß an mehr Tagen Außendienststunden - von den Klägerinnen ohnedies im Ausmaß von jeweils mehr als vier Stunden erbracht - leisten müssen als Vollzeitbeschäftigte, um die Außendienstzulage zu erhalten.
Zur sachlichen Rechtfertigung der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten hat die Beklagte darauf verwiesen, dass es für die Mehrbelastung, bedingt durch die mit einem Außendienst verbundenen Unannehmlichkeiten nicht auf die Proportionalität der Außendiensttätigkeit zum Beschäftigungsausmaß ankomme, sondern auf die absoluten Tages- und Stundenzahlen, die im Außendienst verbracht würden, ohne dies aber mit weiteren Sachargumenten zu untermauern. Sie hat auch nicht konkret dargetan, dass erst bestimmte für die Gewährung der einzelnen Außendienstzulagen festgelegte Kombinationen von Tages- und Stundenbelastungen eine Intensität erreichten, die durch Gewährung der Außendienstzulage abgeltenswert sei, nicht aber bereits Außendiensttätigkeiten an jeweils der Hälfte dieser Arbeitstage. Die Beklagte ist daher ihrer Beweispflicht hinsichtlich einer sachlichen Rechtfertigung der vorliegenden Differenzierung nach § 19d Abs 6 Satz 3 AZG nicht nachgekommen.
Schon die Anwendung des § 19d Abs 6 AZG führt daher zu einem Zuspruch an die Klägerinnen, sodass auf weitere Überlegungen zu einer mittelbaren geschlechtlichen Diskriminierung bei der Festsetzung des Entgelts nach § 3 Z 2 iVm § 5 Abs 2 GlBG nicht eingegangen werden muss.