11.11.2013 Zivilrecht

OGH: Zur Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB

Nach der jüngeren Rsp des OGH ist für den Beginn des Fristenlaufs des § 1488 ABGB nicht darauf abzustellen, ob der Verpflichtete die Absicht hatte, die Rechtsausübung durch den Berechtigten unmöglich zu machen oder zu beeinträchtigen; die jüngere Rsp des OGH stellt für den Beginn des Fristenlaufs auch nicht darauf ab, ob der Berechtigte das Hindernis für die Ausübung der Dienstbarkeit wahrgenommen hat; Wegedienstbarkeitsberechtigte sind zur Verhinderung des Fristenlaufs des § 1488 ABGB grundsätzlich aber nicht verpflichtet, in der Natur vorhandene Wege vermessungstechnisch überprüfen zu lassen, um deren Übereinstimmung mit vertraglich vereinbarten Wegerechten zu überprüfen


Schlagworte: Servitut, Freiheitsersitzung, Verjährung, Wegedienstbarkeitsberechtigte, Wahrnehmung des Hindernisses, Überprüfung
Gesetze:

§ 1488 ABGB, §§ 472 ff ABGB

GZ 2 Ob 97/13y, 30.07.2013

 

Die Rechtsmittelwerber bringen vor, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts von 3 Ob 149/09x abweiche. Sämtliche Parteien hätten im Verfahren angegeben, nicht gewusst zu haben, dass die Dienstbarkeitsfläche bebaut bzw bepflanzt worden sei. Im Übrigen sei die Dienstbarkeit vor dem Jahre 2012 niemals ausgeübt worden, zumal der damals in natura vorhandene Weg deutlich breiter gewesen sei und außerdem teilweise über das Grundstück der Erst- und Zweitkläger geführt habe. Dies sei ohne entsprechende Vermessung mit freiem Auge nicht erkennbar gewesen, sondern erst im Zuge der Gartengestaltung der klagenden Parteien im Jahr 2011 bewusst geworden. Die Anforderungen an Liegenschaftserwerber dürften nicht überspannt werden. Der in der Beilage zum Dienstbarkeitsvertrag erwähnte Dienstbarkeitsweg samt Einmündungstrichter sei in der Natur - unstrittig - vorhanden gewesen. Ein Außerachtlassen der gehörigen Sorgfalt iSv 1 Ob 2188/96p sei daher nicht erkennbar. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei das Bewusstsein der Widersetzung durch den Dienstbarkeitsverpflichteten Voraussetzung des § 1488 ABGB.

 

OGH: Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass nach der jüngeren Rsp des OGH für den Beginn des Fristenlaufs des § 1488 ABGB nicht darauf abzustellen ist, ob der Verpflichtete die Absicht hatte, die Rechtsausübung durch den Berechtigten unmöglich zu machen oder zu beeinträchtigen. Es genügt vielmehr, dass er das Hindernis errichtet, das die Ausübung des Rechts für den Berechtigten wahrnehmbar unmöglich macht oder beeinträchtigt. Es genügt eine manifeste Beeinträchtigung des Servitutsrechts. Dass sich der Verpflichtete der tatsächlichen Ausübung der Dienstbarkeit widersetzen müsse, ist dagegen nach der neueren Judikatur nicht mehr erforderlich. Insoweit in 3 Ob 149/09x anderes zum Ausdruck gebracht wird, kann der erkennende Senat dem nicht folgen.

 

Die jüngere Rsp des OGH stellt für den Beginn des Fristenlaufs auch nicht darauf ab, ob der Berechtigte das Hindernis für die Ausübung der Dienstbarkeit wahrgenommen hat. Es genügt vielmehr, dass der Dienstbarkeitsberechtigte das Hindernis, das die Ausübung seiner Dienstbarkeit unmöglich macht oder doch beeinträchtigt, bei gewöhnlicher Sorgfalt hätte wahrnehmen können. Es wird auf jenen Zeitpunkt abgestellt, in dem der Belastete die Ausübung des Rechts für den Berechtigten wahrnehmbar unmöglich macht oder manifest beeinträchtigt. Ausreichend ist etwa die Errichtung eines wahrnehmbaren Hindernisses zB eines Zaunes, Schrankens, Pfostens oder einer Mauer. Das Hindernis muss die Benutzung des Wegs auf gewöhnliche und allgemeine Art unmöglich machen und zumindest so beträchtlich sein, dass die Servitutsausübung erheblich erschwert wird. Die Anbringung eines leicht wegschiebbaren Faltgitters reicht zB nicht aus, um zum Erlöschen der Servitut zu führen. Auch das Setzen von Sträuchern genügt nicht, wenn es dadurch nur zu einer gewissen Verlegung des Wegs kommt; dies selbst dann nicht, wenn der Weg nunmehr zum Teil über ein anderes Grundstück desselben Eigentümers läuft.

 

Hier wurde der Servitutsweg zwar nicht durch die Maßnahmen der Beklagten verlegt, sondern befand sich bereits davor in einer nicht dem Vertrag entsprechenden Position. Wegedienstbarkeitsberechtigte sind zur Verhinderung des Fristenlaufs des § 1488 ABGB grundsätzlich aber nicht verpflichtet, in der Natur vorhandene Wege vermessungstechnisch überprüfen zu lassen, um deren Übereinstimmung mit vertraglich vereinbarten Wegerechten zu überprüfen.

 

Tatsächlich erfahren haben die Kläger von der Diskrepanz beim Servitutsweg nach den erstinstanzlichen Feststellungen erst 2011 im Zuge der Gartengestaltung und Einfriedung des Grundstücks der erst- und der zweitklagenden Partei. Dass sie davon davor aus anderen Gründen als einer - die Sorgfaltspflicht überspannenden - vermessungstechnischen Überprüfbarkeit hätten wissen müssen, ergibt sich aus den Feststellungen nicht.

 

Da die Beklagten somit die Freiheitsersitzung der von ihnen in Anspruch genommenen Fläche des Dienstbarkeitswegs nicht nachweisen konnten, war dem Klagebegehren im Umfang des bekämpften Teilurteils stattzugeben und die Entscheidung des Erstgerichts insoweit mit der Maßgabe der Änderung der konditionalen Formulierung im Spruch wiederherzustellen.