06.11.2013 Arbeitsrecht

VwGH: RPG – Zulassung zur Gerichtspraxis für Absolventen des Diplomstudiums Wirtschaftsrecht?

Von entscheidender Bedeutung ist, ob das Studium "Wirtschaftsrecht" nach seinem Studienplan jene Ausbildungsinhalte vermittelt, die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unerlässlich sind; zur Ermittlung dieser Ausbildungsinhalte kann auf § 3 RAO (id Fassung des BRÄG 2008) und insbesondere die Darlegungen in den Gesetzesmaterialien zurückgegriffen werden; demnach handelt es sich im Wesentlichen um vier "Blöcke" des österreichischen Rechts (konkret einen zivilrechtlichen, einen strafrechtlichen, einen öffentlich-rechtlichen und einen wirtschaftsrechtlichen Block), die für die spätere Ausübung des Berufs des Rechtsanwaltes in Österreich von zentraler Bedeutung sind


Schlagworte: Rechtspraktikanten, Diplomstudium Wirtschaftsrecht, Zulassung zur Gerichtspraxis
Gesetze:

§ 1 RPG, § 2 RPG, § 3 RAO, § 1 RAO

GZ 2011/01/0266, 19.09.2013

 

VwGH: Gem § 1 Abs 1 RPG soll die Gerichtspraxis Personen, die die wissenschaftliche Berufsvorbildung abgeschlossen haben und zur Führung eines akademischen Grades eines Magisters der Rechtswissenschaften berechtigt sind, die Möglichkeit geben, ihre Berufsvorbildung durch eine Tätigkeit bei Gericht fortzusetzen und dabei ihre Rechtskenntnisse zu erproben und zu vertiefen.

 

Gem § 2 Abs 1 RPG besteht auf die Zulassung zur Gerichtspraxis in dem Ausmaß ein Rechtsanspruch, in dem die Gerichtspraxis gesetzlich als Berufs-, Ernennungs- oder Eintragungserfordernis vorgesehen ist. Die Zulassung für einen längeren Zeitraum kann nach Maßgabe der budgetären, personellen und räumlichen Möglichkeiten erfolgen.

 

Gem § 1 Abs 1 RAO bedarf es zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in der Republik Österreich keiner behördlichen Ernennung, sondern lediglich der Nachweisung der Erfüllung der nachfolgenden Erfordernisse und der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte (§§ 5 und 5a).

 

Diese Erfordernisse sind (ua) zufolge § 1 Abs 2 lit c RAO der Abschluss eines Studiums des österreichischen Rechts (§ 3).

 

Der (mit dem angefochtenen Ersatzbescheid ergangenen) Entscheidung der belBeh liegt die Auffassung zugrunde, die Studienpläne 2003 und 2009 seien nicht völlig gleichwertig, weil 2009 das "Kernfach Völkerrecht" eingeführt und die Themenauswahl der Diplomarbeit "nicht unwesentlich" im Studienplan 2009 abgeändert worden seien. Insgesamt würden dem zwischen 2005 und 2009 von der Bf abgelegten Diplomstudium "wesentliche rechtswissenschaftliche Elemente", nämlich die rechtlichen Grundlagenfächer wie Römisches Recht, Rechtsgeschichte oder Völkerrecht fehlen.

 

Nach der vom VfGH verlangten verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs 2 lit c RAO iVm § 2 Abs 1 RPG war zu beantworten, ob das von der Bf absolvierte Diplomstudium "Wirtschaftsrecht" dem Erfordernis für die Zulassung zur Gerichtspraxis entspricht.

 

Aufgabe der belBeh war es daher, zu prüfen, ob das von der Bf nach dem Studienplan für das Diplomstudium "Wirtschaftsrecht" absolvierte Studium unter Bedachtnahme auf die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes erforderlichen Ausbildungsinhalte als (rechtswissenschaftliches) Studium iSd § 1 Abs 2 lit c RAO in Betracht kommt. Maßstab dieser Beurteilung sind nicht nur die von einzelnen Universitäten autonom erlassenen Studienpläne für das Diplomstudium der Rechtswissenschaft bzw die Ausbildungsinhalte des außer Kraft getretenen rechtswissenschaftlichen Diplomstudiums BGBl Nr 140/1978. Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr, ob das Studium "Wirtschaftsrecht" nach seinem Studienplan jene Ausbildungsinhalte vermittelt, die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unerlässlich sind.

 

Zur Ermittlung dieser Ausbildungsinhalte kann - ungeachtet des Umstandes, dass eine Anwendung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt - auf § 3 RAO (id Fassung des BRÄG 2008) und insbesondere die Darlegungen in den Gesetzesmaterialien zurückgegriffen werden. Demnach handelt es sich im Wesentlichen um vier "Blöcke" des österreichischen Rechts (konkret einen zivilrechtlichen, einen strafrechtlichen, einen öffentlich-rechtlichen und einen wirtschaftsrechtlichen Block), die für die spätere Ausübung des Berufs des Rechtsanwaltes in Österreich von zentraler Bedeutung sind.

 

Demgegenüber hat die belBeh ihrer Beurteilung lediglich einen Vergleich mit einzelnen "Änderungen" im Studienplan 2009 zu Grunde gelegt und unwesentliche Mängel des von der Bf absolvierten Studiums angenommen, ohne jedoch deren Wesentlichkeit an der Bedeutung für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes zu messen. Sie hat somit nicht in den Blick genommen, ob und inwieweit diese für das Erfordernis der Zulassung zur Gerichtspraxis von wesentlicher Bedeutung sind und damit ihre Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

 

Zudem hat die belBeh - zumal sie auf Prüfungsfächer statt auf Wissensgebiete abstellte – es auch unterlassen zu prüfen, ob ein Prüfungsfach in einem anderen Wissensgebiet zusammengefasst sein konnte. Inwieweit etwa das Wissensgebiet "Europarecht; allgemeines Völkerrecht" im Studienplan 2003 nicht im ausreichenden Umfang angeboten worden war, wurde nicht festgestellt. Dass die geänderte Bezeichnung des Faches "Internationales Wirtschaftsrecht" (Studienplan 2003) in "Allgemeines Völkerrecht und Internationales Wirtschaftsrecht" (Studienplan 2009) in dem Sinne wesentlich wäre, dass damit ein Wissensgebiet betroffen wurde, dass für die spätere Ausübung des Berufes des Rechtsanwaltes in Österreich von zentraler Bedeutung wäre, wurde nicht festgestellt. Bei der Änderung einer Fächerbezeichnung hat die belBeh zudem unberücksichtigt gelassen, dass diese nicht notwendigerweise inhaltliche sein müssen, sondern etwa deshalb erfolgten, um für die Studierenden die Rechtssicherheit zu fördern (und derart die Einholung eines Gutachtens nach § 5 Abs. 1a RAO (id Fassung des BRÄG 2008) zu vermeiden) und für entsprechende Klarstellung im curriculum zu sorgen.

 

Die "Abänderung bei der Themenauswahl der Diplomarbeit" erscheint - entgegen der nicht näher begründeten Ansicht der belBeh - unwesentlich. § 3 Abs 2 letzter Satz RAO sieht (ausdrücklich) vor, dass der Gegenstand der Arbeit (Diplomarbeit) auch mehreren Wissensgebieten entnommen sein kann. Die Diplomarbeit der Bf zum Thema "Die Kernbereichslehre im Personengesellschaftsrecht: Entwicklung, Inhalt und Abgrenzung" entspricht hinsichtlich der Themenauswahl den Anforderungen im Studienplan 2003 und auch im Studienplan 2009.