OGH: Anmeldung von Ansprüchen aus Zeitguthaben als Insolvenzforderung anstatt als Masseforderung
Eine Forderung bleibt auch dann Masseforderung, wenn sie der Gläubiger in Unkenntnis dieses Charakters anmeldet und sie als festgestellte Insolvenzforderung in das Anmeldungsverzeichnis eingetragen wird; die Forderungsfeststellung entfaltet in Hinblick auf den Grund und die Höhe der Forderung, nicht aber bezüglich ihrer Rechtsqualität Bindungswirkung
§ 14 IO, § 41 IO, § 46 IO, § 51 IO, § 60 IO, § 102 IO, § 109 IO, § 124 IO
GZ 9 ObA 50/12m, 22.10.2012
OGH: Von der Bestimmung des § 46 Abs 1 Z 3 IO sollen jene Ansprüche des Dienstnehmers erfasst sein, die für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft für diesen Zeitraum gebühren. Daher ist auch das Entgelt für Zeitguthaben aus geblockter Altersteilzeit als Masseforderung zu qualifizieren. Von den Beendigungsansprüchen iSd § 46 Abs 1 Z 3a bzw § 51 Abs 2 Z 2 IO unterscheiden sich diese Ansprüche dadurch, dass die Beendigungsansprüche nicht nur diesen Zeiträumen zugerechnet werden, sondern sich regelmäßig auf längere Zeiträume, teilweise auf das gesamte Arbeitsverhältnis, beziehen. Insoweit bildet das Zeitguthaben keine betagte, mit der Insolvenzeröffnung fällig werdende Geldforderung (§ 14 Abs 2 IO), sondern ist dann, wenn es in der Folge nicht konsumierbar ist, als Masseforderung zu qualifizieren.
Masseforderungen sind Forderungen eigener Art, nicht bloß besonders bevorrechtete Insolvenzforderungen. Sie sind nicht Gegenstand des zur Feststellung der Ansprüche vorgesehenen Anmeldeverfahrens nach §§ 102 ff IO, sie sind ohne Rücksicht auf den Stand des Insolvenzverfahrens zu befriedigen, sobald sie feststehen und fällig sind und sie können bei Leistungsverweigerung oder -verzögerung mittels Abhilfeantrag oder Klage gegen den Insolvenzverwalter durchgesetzt werden (§124 IO). Alleine durch die Mechanismen des Insolvenzverfahrens ändert eine als Insolvenzforderung angemeldete Masseforderung aber nicht ihre Rechtsqualität.
Die Forderungsfeststellung, die aus der Anerkennung der Forderung durch den Insolvenzverwalter resultiert (§ 109 IO), wird verfahrensrechtlich lediglich als konkursintern bindende Erledigung der Forderung eines Konkursgläubigers gedeutet, an die Teilnahmerechte in Form von Tatbestandswirkungen geknüpft sind. Materiell‑rechtlich könnte die Frage aufgeworfen werden, ob in der Anerkennung der Forderung durch den Insolvenzverwalter ein konstitutives Anerkenntnis liegt, das auch die Forderungsqualität erfasst. Davon könnte jedoch nur dann ausgegangen werden, wenn die Anmeldung einer Masseforderung als Insolvenzforderung zugleich als Verzicht des Gläubigers auf eine vorrangige Befriedigung zu deuten wäre. Das ist weder bei einer irrtümlich noch bei einer vorsichtshalber als Insolvenzforderung angemeldeten Masseforderung der Fall.