OGH: Einschränkung einer Dienstbarkeit durch Freiheitsersitzung
Die Freiheitsersitzung kann zu einer Einschränkung der Dienstbarkeit führen; dabei handelt es sich gegenüber dem Begehren auf gänzliche Löschung der Dienstbarkeit um ein Minus und nicht um ein Aliud
§ 1488 ABGB, § 405 ZPO
GZ 4 Ob 93/13z, 09.07.2013
OGH: Die Verjährung nach § 1488 ABGB (Freiheitsersitzung) kann auch zu einer Einschränkung der Dienstbarkeit führen. Diese Einschränkung kann sich auf die räumliche Ausdehnung, auf den sachlichen Umfang (zB Gehrecht statt Fahrrecht, Befahren mit „großen LKW“) aber auch auf den Zeitraum der Ausübung beziehen.
Eine teilweise Freiheitsersitzung führt materiell nur zu einer Einschränkung der bestehenden Dienstbarkeit, nicht aber zum Entstehen einer neuen (eingeschränkten) Dienstbarkeit, denn ansonsten ginge auch der Rang der ursprünglichen Dienstbarkeit verloren.
Nach § 405 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was sie nicht beantragt hat. Unzulässig ist daher der Zuspruch von mehr (einem Plus) oder etwas anderem (einem Aliud) als vom Kläger begehrt, nicht aber der Zuspruch bloß eines Teils davon (eines Minus). Letzteres wird daraus abgeleitet, dass (zumindest) bei Leistungsbegehren der Antrag auf Zuerkennung des Minus im geltend gemachten Begehren eingeschlossen ist; folgerichtig ist auch bei Feststellungsbegehren der Zuspruch eines Minus zulässig.
Konfessorische Dienstbarkeitsklagen und Klagen auf Löschung einer einverleibten Dienstbarkeit sind aus Sicht des § 405 ZPO nicht anders zu beurteilen als andere Feststellungs- und Unterlassungsklagen. Ein Einwand nach § 1488 ABGB führt nicht dazu, dass der Kläger sein Begehren einschränken muss, um für den Fall von dessen (auch nur teilweisen) Berechtigung eine vollständige Klageabweisung zu vermeiden. Vielmehr ist auch in einem solchen Fall ein Minderzuspruch zulässig, sofern sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht eindeutig ergibt, dass er daran kein Interesse hätte.