11.09.2013 Arbeitsrecht

VwGH: Kündigung eines provisorischen Beamtendienstverhältnisses wegen „pflichtwidrigen Verhaltens“

Eine Pflichtverletzung durch den in einem provisorischen Dienstverhältnis stehenden Beamten ist nur dann nicht geeignet, den Kündigungsgrund des "pflichtwidrigen Verhaltens" zu begründen, wenn die Pflichtverletzung geringfügig ist, auf bloßer Nachlässigkeit beruht, einmaliger Art war und keine Wiederholung besorgen lässt


Schlagworte: Beamtendienstrecht, Dienstrecht, provisorisches Dienstverhältnis, Verfehlung, Pflichtverletzung, Kündigung
Gesetze:

§ 10 Abs 4 Z 4 BDG

GZ 2011/12/0165, 23.04.2012

 

Der Bf hatte zusammen mit einem Kollegen einen nach einem Knöchelbruch frisch operierten Verwahrungshäftling zu bewachen. Dabei unterliefen Fehler (Wahl einer den Ausgang nicht blockierenden Sitzposition), wodurch der Häftling entkommen konnte. Der Bf hatte die Flucht verzögert gemeldet, weil er zunächst den entkommenen Häftling auf eigene Faust suchte. Außerdem gab er zunächst eine „beschönigte“ und damit unwahre Version der Flucht (der Häftling sei bei einem Toilettenbesuch geflohen) zu Protokoll. Der Bf stand in einem provisorischen Dienstverhältnis und wurde gekündigt.

 

VwGH: Es ist die Zweckbestimmung des der Definitivstellung des öffentlich-rechtlichen Bediensteten vorgeschalteten provisorischen Dienstverhältnisses, den Beamtennachwuchs nochmals in der Weise prüfen zu können, dass alle sich nicht voll bewährenden Amtsträger noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führen, eine längere oder eine kürzere Zeit zurückliegen; denn die Dienstbehörde hat nach dem Gesagten das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines Beamten sein ganzes dienstliches und außerdienstliches Verhalten während des provisorischen Dienstverhältnisses zu prüfen. Es ergibt sich aber auch weder aus der sprachlichen Bedeutung des Wortes "Verhalten" noch aus der Bestimmung des § 10 Abs 4 Z 4 des BDG, dass von einem pflichtwidrigen Verhalten im Sinn der angeführten Vorschrift etwa nur dann gesprochen werden kann, wenn zeitlich andauernde oder wiederkehrende Handlungen des Beamten vorliegen. Auch die einmalige Tat eines Beamten kann - ungeachtet eines sonstigen dienstlichen oder außerdienstlichen Wohlverhaltens - derart schwer wiegend sein, dass durch sie der Kündigungsgrund des § 10 Abs 4 Z 4 BDG verwirklicht wird.

 

Eine Verletzung einer Dienstpflicht durch den in einem provisorischen Dienstverhältnis stehenden Beamten ist nur dann nicht geeignet, den Kündigungsgrund des "pflichtwidrigen Verhaltens" nach § 10 Abs 4 Z 4 BDG zu begründen, wenn die nur zu einem bestimmten Zeitpunkt unterlaufene Pflichtverletzung geringfügig ist, auf bloßer Nachlässigkeit beruht, einmaliger Art war und keine Wiederholung besorgen lässt, also insgesamt ihrer Schwere nach in keinem Verhältnis zur Schwere der Ahndung in Form einer Kündigung steht.

 

Nach Auffassung des VwGH sind die dem Bf von der belBeh zur Last gelegten Pflichtverletzungen, zu denen auch eine falsche Darstellung des Sachverhaltes durch den Bf hinzutritt, insbes im Hinblick auf den oben aufgezeigten Zweck des provisorischen Dienstverhältnisses, die Eignung des Beamten für den konkreten Dienst zu prüfen, hinreichend schwer wiegend (und damit nicht bloß "geringfügig" iSd zitierten Rsp), um - ungeachtet des sonstigen Wohlverhaltens des Bf und seiner behauptetermaßen erworbener Verdienste - den Kündigungsgrund des § 10 Abs 4 Z 4 BDG zu verwirklichen.

 

Der Umstand, dass der Bf auch nach dem Vorfall weiter zum Dienst herangezogen wurde, steht einer Aufkündigung des provisorischen Dienstverhältnisses nicht entgegen, liegt es doch im Wesen einer solchen, dass die aus dem Dienstverhältnis resultierenden wechselseitigen Rechte und Pflichten nicht sofort erlöschen, weshalb der Beamte auch bis zum Auflösungszeitpunkt weiterhin zu einer Dienstleistung heranzuziehen ist. Auch der Umstand, dass der Bf in der Folge zur Ausbildung von jungen Beamten herangezogen wurde, führt nicht zu einer Verwirkung des Kündigungsrechtes.