11.09.2013 Verfahrensrecht

VwGH: Zurückziehung eines Anbringens iSd § 13 Abs 7 AVG

Entscheidend für die Zulässigkeit der Zurückziehung ist allein, ob ein Antrag noch unerledigt ist und daher zurückgezogen werden kann; mit der Erlassung eines Bescheides und den damit sofort einhergehenden Rechtswirkungen ist der Antrag als erledigt anzusehen; nur dann, wenn die materielle Rechtskraft des Bescheides dadurch beseitigt wird, dass dagegen eine - zulässige und fristgerechte - Berufung erhoben wird, ist sowohl der verfahrenseinleitende Antrag als auch der Berufungsantrag offen; beide Anträge können dann auch bis zur Erlassung des Berufungsbescheides zurückgezogen werden.


Schlagworte: Anbringen, Zurückziehung, Zulässigkeit, Rechtsmittel, formelle / materielle Rechtskraft
Gesetze:

§ 13 AVG

GZ 2013/07/0099, 25.07.2013

 

VwGH: Die Zurückziehung eines Anbringens stellt selbst ein Anbringen dar. Die Zurückziehung eines Antrags bedarf einer ausdrücklichen diesbezüglichen Willenserklärung gegenüber der Behörde. Weist ein Anbringen einen undeutlichen Inhalt auf, so hat die Behörde gem § 37 und § 39 Abs 2 AVG durch Herbeiführung einer entsprechenden Erklärung den wahren Willen des Einschreiters festzustellen, diesen also zu einer Präzisierung aufzufordern bzw zum Inhalt einzuvernehmen.

 

Dem Anbringen vom 20. August 2012 ist allerdings klar der Wille des Antragstellers zu entnehmen, den verfahrenseinleitenden Antrag vom 17. August 2005 zurückzuziehen. Eine Bezugnahme auf den Bescheid der AB vom 8. August 2012 findet sich lediglich insofern, als die Antragszurückziehung "binnen offener Rechtsmittelfrist" erfolgte. Dieser Hinweis ist allerdings zu wenig deutlich, um Zweifel am Inhalt des Anbringens selbst zu hegen, zumal der Bf im Verfahren anwaltlich vertreten wurde und davon auszugehen ist, dass einem Anwalt der Unterschied zwischen der Zurückziehung eines Antrages und der Einbringung eines Rechtsmittels geläufig ist.

 

Auch den Ausführungen der vorliegenden Beschwerde, insbesondere dem Vorbringen in Bezug auf die angebliche Verletzung von Verfahrensvorschriften, ist zu entnehmen, dass der Bf mit seiner Erklärung vom 20. Oktober 2012 tatsächlich allein den Zweck verfolgte, seinen verfahrensauslösenden Antrag vom 17. August 2005 zurückzuziehen. Weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde brachte der Bf vor, dass der Schriftsatz vom 20. August 2012 in Wahrheit als Rechtsmittel gegen den Bescheid der AB vom 8. August 2012 zu verstehen gewesen wäre. Für eine Umdeutung der Antragszurückziehung in eine Berufung bestand daher, auch angesichts des unmissverständlichen Wortlauts der Eingabe, kein Anlass.

 

Allerdings meint der Bf in der Beschwerde, die Behörde hätte ihn nach § 13 Abs 3 AVG zur Verbesserung auffordern müssen, und zwar insofern, als er auf die Möglichkeit (Notwendigkeit) einer vorhergehenden fristgerechten Berufungseinbringung hätte hingewiesen werden müssen.

 

Damit verkennt der Beschwerdeführer aber den Inhalt des § 13 Abs 3 AVG. Eine Verbesserung eines Antrags kommt nach dieser Bestimmung dann in Frage, wenn ein Anbringen einen Mangel aufweist, also von für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes oder des AVG an ein vollständiges fehlerfreies Anbringen abweicht. Für die Zurückziehung des verfahrensauslösenden Antrages gibt es aber - über die ausdrückliche Willenserklärung hinausgehend - keine besonderen Anforderungen im Materiengesetz oder im AVG. Das Anbringen vom 20. August 2012 war daher keineswegs mangelhaft iSd § 13 Abs 3 AVG, wurde doch darin der Wille des Antragstellers auf Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags eindeutig kundgetan. Für einen inhaltlichen Verbesserungsauftrag, bezogen auf die Eingabe vom 20. August 2012, bestand daher keine Veranlassung.

 

Sollte der Bf mit seinem Vorbringen aber die Bestimmung des § 13a AVG (Rechtsbelehrung) im Auge haben, so ist er darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung lediglich bei nicht anwaltlich vertretenen Parteien Anwendung findet. Der Bf war aber anwaltlich vertreten.

 

Die AB konnte daher ohne Rechtsirrtum davon ausgehen, dass der im Schriftsatz vom 20. August 2012 zum Ausdruck gebrachte Wille des Bf allein in der Zurückziehung des verfahrensauslösenden Antrags bestand.

 

§ 13 Abs 7 AVG enthält (seit der Novelle BGBl I Nr 158/1998) die ausdrückliche Vorschrift, dass ein Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden kann.

 

Der Gesetzgeber wollte § 13 Abs 7 AVG nach dem Vorbild des § 237 ZPO einführen. Zu dieser Bestimmung entspricht es einhelliger Ansicht, dass die Rechtsfolgen des § 237 Abs 3 ZPO (insbesondere also, dass die Klage als nicht angebracht anzusehen ist) automatisch mit dem Zugang der Erklärung des Klägers an das Gericht eintreten, sodass einem die Prozessbeendigung aussprechenden Beschluss nur deklarative Bedeutung zukommt.

 

Auch nach der Rsp vor Inkrafttreten des § 13 Abs 7 AVG bewirkte eine Antragsrückziehung das Ende des Verfahrens, ohne dass es einer behördlichen Entscheidung bedurfte.

 

Die Zurückziehung eines Antrages zieht daher - wenn sie dem Vorbild des § 237 ZPO vergleichbare Rechtswirkungen habe sollte - keinen weiteren, über die formlose Einstellung des Verfahrens hinausgehenden Akt der Behörde nach sich. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Behörde, die in der Sache zu entscheiden hat, über den verfahrensauslösenden Antrag noch keinen Bescheid erlassen hat.

 

Ist ein Bescheid erlassen, wurde er also einer der Verfahrensparteien gegenüber rechtswirksam zugestellt, treten aber bereits Bescheidwirkungen ein, die nur durch die rechtzeitige Erhebung eines zulässigen Rechtsmittels wieder beseitigt werden können. Ist dies nicht der Fall, erhebt also keine der Verfahrensparteien ein Rechtsmittel, so werden diese Bescheidwirkungen nicht sistiert und eine Antragsrückziehung nach Erlassung eines Bescheides erweist sich als unzulässig.

 

Wenn der Bf wiederholt meint, mit der Erlassung des Bescheides seien noch keine Rechtswirkungen eingetreten, so übersieht er die bereits mit der Bescheiderlassung verbundenen sog materiellen Rechtskraftwirkungen.

 

Bei den Rechtskraftwirkungen von Bescheiden wird zwischen der formellen und der materiellen Rechtskraft unterschieden. Versteht man unter formeller Rechtskraft, dass ein Bescheid durch die Parteien nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden kann, so bezieht sich der Begriff der materiellen Rechtskraft auf die mit dem Bescheid verbundene Bindungswirkung für die Behörden und für die Parteien. Mit der materiellen Rechtskraft wird die Unabänderlichkeit (Unwiderrufbarkeit) des Bescheides verbunden; der Bescheid kann demnach von der Behörde von Amts wegen nicht mehr abgeändert oder aufgehoben werden, soweit es nicht eine Ermächtigung zur Abänderung oder Aufhebung eines Bescheides gibt. Die Unabänderlichkeit tritt aber schon mit Erlassung des Bescheides - vor der formellen Rechtskraft - ein; der noch nicht formell rechtskräftigte Bescheid darf nur auf Grund eines ordentlichen Rechtsmittels einer Partei abgeändert oder aufgehoben werden. Ab Eintritt der formellen Rechtskraft darf ein Bescheid nur aufgehoben oder abgeändert werden, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist.

 

Mit der Erlassung des Bescheides vom 8. August 2012 durch Zustellung an den Bf bzw die Agrargemeinschaft traten daher bereits die genannten Rechtswirkungen ein; insbesondere konnte die belBeh (als Rechtsmittelbehörde) den Bescheid der AB vom 8. August 2012 nach dessen Erlassung weder abändern noch aufheben. Eine solche Befugnis kam ihr auch nach Zurückziehung des verfahrensauslösenden Antrags mangels Vorliegens eines Rechtmittels gegen den Erstbescheid nicht zu.

 

Entscheidend für die Zulässigkeit der Zurückziehung ist allein, ob ein Antrag noch unerledigt ist und daher zurückgezogen werden kann. Mit der Erlassung eines Bescheides und den damit sofort einhergehenden Rechtswirkungen ist der Antrag als erledigt anzusehen. Nur dann, wenn die materielle Rechtskraft des Bescheides dadurch beseitigt wird, dass dagegen eine - zulässige und fristgerechte - Berufung erhoben wird, ist sowohl der verfahrenseinleitende Antrag als auch der Berufungsantrag offen. Beide Anträge können dann auch bis zur Erlassung des Berufungsbescheides zurückgezogen werden.

 

Daraus folgt, dass die Zurückziehung des verfahrensauslösenden Antrages nach Erlassung des Bescheides der AB zu spät erfolgte und keine Rechtswirkungen mehr nach sich zog.

 

Die im Instanzenzug erfolgte Zurückweisung des Anbringens des Bf vom 20. August 2012 verletzte ihn daher nicht in Rechten.