OGH: KartG – zum Begriff der an einem Zusammenschluss „beteiligten Unternehmen“
Bei der Gründung eines Gemeinschaftunternehmens (§ 7 Abs 2 KartG) gelten alle Gründer als Beteiligte, nicht aber das Gemeinschaftsunternehmen, besteht dieses doch noch nicht und erzielt auch noch keinen Umsatz
§ 9 KartG, § 7 KartG, § 20 KartG
GZ 16 Ok 3/13, 27.06.2013
OGH: Der im KartG an mehreren Stellen verwendete Begriff der an einem Zusammenschluss „beteiligten Unternehmen“ wird dort nicht näher bestimmt. So müssen die in § 9 KartG für die Anmeldepflicht des Zusammenschlusses vorgegebenen Umsatzschwellen von den „beteiligten Unternehmen“ erzielt werden. Welche Unternehmen als Normadressaten des § 9 KartG anzusehen sind, hängt von dem jeweiligen Zusammenschlusstatbestand und vom Normzweck ab.
Hilfe zur Auslegung insbesondere des Begriffs des beteiligten Unternehmens bietet die Berichtigung der Konsolidierten Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gem der VO (EG) Nr 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl 2009/C 43/09 (MZust), in der die Kommisssion ihre Fallpraxis zusammengefasst hat.
Voraussetzung für die Anmeldepflicht eines Zusammenschlusses ist ua, dass mindestens zwei beteiligte Unternehmen weltweit jeweils mehr als fünf Millionen EUR Umsatzerlöse im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss erzielt haben (§ 9 Abs 1 Z 3 KartG).
Bei der Gründung eines Gemeinschaftunternehmens (§ 7 Abs 2 KartG) gelten alle Gründer als Beteiligte, nicht aber das Gemeinschaftsunternehmen, besteht dieses doch noch nicht und erzielt auch noch keinen Umsatz.
Im vorliegenden Fall soll die Geschäftstätigkeit eines Gemeinschaftsunternehmens dadurch erweitert werden, dass es
a) die Tochtergesellschaft (L***** L*****) einer der beiden Muttergesellschaften (Zweitantragstellerin) durch Verschmelzung,
b) einen Teilbetrieb der anderen Muttergesellschaft als Sacheinlage oder durch Kauf und
c) das Gemeinschaftsunternehmen der L***** L***** und der Muttergesellschaft der r***** durch Verschmelzung erwirbt.
Das erwerbende Gemeinschaftsunternehmen dehnt nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen mit diesen Transaktionen, die jede für sich den Zusammenschlusstatbestand nach § 7 Abs 1 Z 1 KartG erfüllt, seine Geschäftstätigkeit (Hauszustellung von Printprodukten) auf andere sachliche (Geschäftsbereich „H*****“, „Stummer Verkauf und Auslieferung“) und räumliche (Kärnten und Steiermark) Märkte aus.
Wirtschaftlich betrachtet (§ 20 KartG) ist diese Übertragung bisheriger Aktivitäten und Ressourcen der Mutterunternehmen auf das bestehende Gemeinschaftsunternehmen der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens durch dieselben Muttergesellschaften gleichzuhalten. Dadurch wird ein neuerlicher Zusammenschluss verwirklicht, weil es auch in diesem Fall zu einem Kontrollwechsel über den betroffenen Geschäftsbereich oder über das betroffene Unternehmen kommt.
Die Übertragung der Unternehmen und des Unternehmensteils durch die Muttergesellschaften zeigt, dass diese - wie auch im „Letter of Intent“ und im Memorandum dokumentiert - die eigentlichen Akteure bei der Ausweitung der Tätigkeiten des Gemeinschaftsunternehmens sind. Es ist deshalb folgerichtig, neben den Zielunternehmen die Muttergesellschaften und nicht das unmittelbar erwerbende Gemeinschaftsunternehmen als beteiligte Unternehmen anzusehen.
Dass die gem § 22 Abs 1 KartG zu berücksichtigenden Umsatzerlöse der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen die Aufgriffsschwellen nach § 9 Abs 1 und 3 KartG übersteigen, ist nicht strittig.