OGH: Verzicht und Zurücklegung des Fortbetriebsrechtes durch den Insolvenzverwalter
In der Lit herrscht ein unterschiedlicher Meinungsstand, ob der Insolvenzverwalter auf das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse nur binnen Monatsfrist ab Insolvenzeröffnung verzichten oder das Fortbetriebsrecht auch ohne Bindung an diese Frist zurücklegen kann
§§ 41 ff GewO
GZ 8 ObS 14/12k, 19.12.2012
Im vorliegenden Verfahren ist fraglich, ob das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse auch nach der Monatsfrist aufgegeben werden kann.
Anknüpfungspunkt für die diese Frage verneinende Argumentation der Klägerin ist § 85 Z 7 GewO. Nach dieser Bestimmung endet die Gewerbeberechtigung mit der Zurücklegung der Gewerbeberechtigung sowie im Fall von Fortbetrieben gem § 41 Abs 1 Z 1 bis 3 GewO mit der Zurücklegung des Fortbetriebsrechts. Die Klägerin schließt daraus, dass das Fortbetriebsrecht iSd § 41 Abs 1 Z 4 GewO nicht genannt sei und daher nicht zurückgelegt werden könne. Es komme daher nur ein Verzicht nach § 44 GewO in Betracht.
OGH: Diesem Ansatz ist nicht zu folgen.
Die GewO unterscheidet ausdrücklich zwischen der Gewerbeberechtigung (des Gewerbeinhabers) und dem Fortbetriebsrecht (von Ehegatten und Nachkommen sowie hier der Konkursmasse). § 85 GewO bezieht sich ausschließlich auf die Gewerbeberechtigung (des Gewerbeinhabers). Diese endet nach Z 7 leg cit mit Zurücklegung der Gewerbeberechtigung oder des Fortbetriebsrechts gem § 41 Abs 1 Z 1 bis 3 GewO (Ehegatten und Nachkommen).
Eine Verfügung des Insolvenzverwalters kann sich nur auf das Fortbetriebsrecht, nicht aber auch auf die Gewerbeberechtigung (des Gewerbeinhabers) beziehen. Durch einen „Verzicht“ des Insolvenzverwalters auf das Fortbetriebsrecht endet die Gewerbeberechtigung gerade nicht. Daraus folgt, dass § 41 Abs 1 Z 4 GewO (Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse) kein Regelungsgegenstand des § 85 GewO sein kann. Nach der dargestellten Systematik der zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen bedeutet dies gleichzeitig, dass § 85 GewO zum Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse keine Aussage enthält.
Ehegatten und Nachkommen können auf das Fortbetriebsrecht mit Wirkung ex tunc verzichten (§ 43 Abs 3 GewO). Tun sie dies nicht, so endet im Fall des Fortbetriebs durch sie die Gewerbeberechtigung mit der Zurücklegung des Fortbetriebsrechts (§ 85 Z 7 GewO). Mit „Fortbetrieb“ („im Fall des Fortbetriebs“) ist demnach das Entstehen des Fortbetriebsrechts gemeint (§ 41 Abs 1 GewO). Wenn auf das Fortbetriebsrechts mit der Wirkung ex tunc verzichtet wird, sodass dieses gar nicht entsteht, liegt damit kein Fall des Fortbetriebs vor.
Daraus ergibt sich, dass zwischen Verzicht auf das Fortbetriebsrecht (mit der Wirkung ex tunc) und der Zurücklegung des Fortbetriebsrechts („im Fall des Fortbetriebs“) zu unterscheiden ist. Der „Verzicht“ auf das Fortbetriebsrecht ist demnach ein Spezialfall des Umgangs mit dem Fortbetriebsrecht, der dieses gar nicht entstehen lässt (Wirkung ex tunc).
Hinsichtlich des Fortbetriebsrechts der Insolvenzmasse besteht nur eine Regelung über den Verzicht. Über weitere Möglichkeiten der Verfügung über das Fortbetriebsrecht durch den Insolvenzverwalter wird damit noch nichts ausgesagt.
Da im Fall des Fortbetriebs durch Ehegatten und Nachkommen sogar die Gewerbeberechtigung (des Gewerbeinhabers) zurückgelegt werden kann, muss aufgrund eines Größenschlusses erst recht die Zurücklegung des Fortbetriebsrechts mit der Wirkung ex nunc durch den Insolvenzverwalter zulässig sein.
In der Literatur finden sich zu dieser Frage unterschiedliche Ansätze.
(…)
Gruber/Paliege Barfuß vertreten in ihrem Kommentar folgende Meinung: „Aus § 86 Abs 3 ist ersichtlich, dass das Fortbetriebsrecht des Masseverwalters unabhängig von der diesem zu Grunde liegenden Gewerbeberechtigung besteht. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass der sich auf die Anführung der Z 1 bis 3 des § 41 Abs 1 beschränkende § 85 Z 7 sich bezüglich der Zurücklegung des Fortbetriebsrechts auf die Endigung der dem Fortbetrieb zugrunde liegenden Gewerbeberechtigung selbst bezieht. Dem Masseverwalter bleibt deshalb ungeachtet des Wortlauts des § 85 Z 7 die Möglichkeit der Zurücklegung seines Fortbetriebsrechts gewahrt.“
In der Literatur gibt es auch gegenteilige Stimmen:
Grabler/Stolzlechner/Wendl stehen auf dem Standpunkt, dass eine Zurücklegung des Fortbetriebsrechts der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter nicht vorgesehen und daher unzulässig sei.
(…)
Soweit die zuletzt dargestellten Kommentarstellen ihre (gegenteilige) Ansicht auf § 85 Z 7 GewO stützen, ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Bestimmung nur auf die Beendigung der Gewerbeberechtigung (des Gewerbeinhabers), nicht aber auf den Verlust des Fortbetriebsrechts bezieht. Die Begründung von Grabler/Stolzlechner/Wendl, wonach der Verzicht auf ein subjektives öffentliches Recht nur zulässig sei, wenn dies gesetzlich vorgesehen sei, steht im Widerspruch zur Rsp des VwGH. Danach kann zufolge allgemeiner Rechtsgrundsätze grundsätzlich auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung auf im öffentlichen Recht wurzelnde Ansprüche verzichtet werden, sofern sich aus den gesetzlichen Bestimmungen nichts Gegenteiliges ergibt.