VwGH: Außerordentliche Milderung der Strafe gem § 20 VStG (hier: Unterschreitung der Mindeststrafe von EUR 800.-- auf EUR 500.--) bei Unbescholtenheit und niedriger Alkoholisierung (0,44 mg/l)?
Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevant sind, dürfen nicht auch noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden
§ 5 StVO, § 99 StVO, § 20 VStG
GZ 2013/02/0101, 19.07.2013
In der Amtsbeschwerde wird ausgeführt, die belBeh argumentiere dahingehend, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Milderung der Strafe lägen gem § 20 VStG vor, und nenne dabei die Unbescholtenheit und die niedrige Alkoholisierung als Milderungsgründe, die damit die Erschwerungsgründe überwiegen würden.
Der niedrige Alkoholisierungsgrad könne nicht als Milderungsgrund gewertet werden, habe doch schon der Gesetzgeber durch die Gliederung der Absätze in § 99 StVO mit ihren unterschiedlichen Strafrahmen, insbesondere für Alkoholdelikte eine entsprechende Gewichtung vorgenommen. Mit einem erwiesenen Alkoholgehalt von 0,44 mg/l in der Atemluft liege der Mitbeteiligte ohnehin im mit mindestens 800 EUR und höchstens 3.700 EUR niedrigsten Strafrahmen für Alkoholdelikte (vgl § 99 Abs 1b StVO). Ebenso sei es als verfehlt zu betrachten, wenn Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevant seien, auch noch als Strafzumessungsgründe berücksichtigt würden.
Im Ergebnis liege somit nur ein Milderungsgrund, die Unbescholtenheit, vor; dies alleine spreche aber noch nicht für ein Überwiegen der Milderungsgründe, sodass die rechtlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 20 VStG nicht vorlägen.
VwGH: Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann nach § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.
Die belBeh vertritt in der Gegenschrift die Rechtsansicht, der vorliegende Fall sei jenem gleichgelagert, der dem Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, 92/02/0280, zugrunde gelegen sei, zumal auch im vorliegenden Beschwerdefall der Alkoholgehalt der Atemluft 0,44 mg/l betragen habe, die Tat keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen habe, der Mitbeteiligte bei einer Verkehrskontrolle angehalten worden und nicht in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen sei und auch unbescholten gewesen sei.
Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die Rechtslage in der Zwischenzeit erheblich durch Einführung von abgestuften Mindest- und Höchststrafen (vgl § 99 Abs 1, 1a und 1b StVO) - je nach Grad der Alkoholisierung - geändert hat und auch schon ab einer Alkoholisierung von 0,25 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft bzw 0,5 Promille Blutalkoholgehalt die Strafbarkeit eines Kfz-Lenkers gegeben ist (vgl § 14 Abs 8 iVm § 37a FSG).
Zutreffend wird in der Beschwerde unter Bezugnahme auf das sog Doppelverwertungsverbot darauf verwiesen, dass nach der hg Judikatur Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevant sind, nicht auch noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden dürfen. Da der Grad der Alkoholisierung nunmehr für den jeweils anzuwendenden Strafsatz relevant ist, liegt ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot vor.
Es ist daher, wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, nur noch der Milderungsgrund der Unbescholtenheit des Mitbeteiligten zu berücksichtigen, dem bei einer Übertretung wie der gegenständlichen jedoch kein solches Gewicht beigemessen werden kann, dass - selbst bei Fehlen von Erschwerungsgründen - § 20 VStG anzuwenden wäre; es kann nämlich keine Rede davon sein, dass die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen (vgl das zu einer Übertretung des § 5 Abs 1 iVm § 99 Abs 1a StVO ergangene Erkenntnis vom 17. Dezember 2004, 2004/02/0298).