05.08.2013 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Neuerungszulässigkeit im Berufungsverfahren iSd § 63 ASGG und Klagsänderung

Die Geltendmachung neuer Ansprüche sowie das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel ist einer Partei, die im Verfahren erster Instanz nicht qualifiziert (iSd § 40 Abs 1 ASGG) vertreten war, nicht verwehrt; die Möglichkeit der Vornahme von Klagsänderungen findet aber auch in zweiter Instanz in den Voraussetzungen des § 235 ZPO ihre Grenze


Schlagworte: Rechtsmittelverfahren, keine qualifizierte Vertretung, Neuerungszulässigkeit im Berufungsverfahren, Klagsänderung
Gesetze:

§ 63 ASGG, § 235 ZPO

GZ 8 ObA 71/12t, 28.05.2013

 

OGH: Der Kläger war im Verfahren erster Instanz nicht qualifiziert (iSd § 40 Abs 1 ASGG) vertreten, weshalb nach § 63 Abs 1 ASGG die Bestimmungen über das Neuerungsverbot nach § 482 ZPO auf ihn nicht anzuwenden waren. Die Geltendmachung neuer Ansprüche sowie das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel war ihm im Berufungsverfahren grundsätzlich nicht verwehrt.

 

Zweck des § 63 Abs 1 ASGG ist es, unvertretene Parteien vor aus Rechtsunkenntnis resultierenden Nachteilen zu bewahren. Dieser Zweck erfordert es aber nicht, ihnen im Berufungsverfahren weitergehende prozessuale Rechte einzuräumen als im erstinstanzlichen Verfahren. Die Möglichkeit der Vornahme von Klagsänderungen findet daher auch in zweiter Instanz in den Voraussetzungen des § 235 ZPO ihre Grenze. Die Gründe, die danach einer Änderung des Klagebegehrens entgegenstehen können, hat bereits das Berufungsgericht umfassend und zutreffend dargelegt (§§ 510 Abs 3 iVm 528a ZPO).

 

Entgegen den Ausführungen des Rekurswerbers hätten die Vorinstanzen bei Zulassung seiner begehrten Klagsänderung nicht mit einer „nicht allzu umfangreichen“ Beweisaufnahme das Auslangen finden können. Während das ursprüngliche Klagebegehren auf eine Verpflichtung der Beklagten zu einem künftigen Verhalten gerichtet war und fast nur Rechtsfragen aufwarf, beruhte das neu erhobene Schadenersatzbegehren auf einem völlig anderen Rechtsgrund; seine Behandlung hätte neues Vorbringen und ein Beweisverfahren über in erster Instanz noch nicht verfahrensrelevante Tatsachen erfordert. Aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit wäre bei Zulassung der Klagsänderung auch dem Beklagten neues Bestreitungsvorbringen offengestanden.

 

Die Ansicht des Berufungsgerichts, die bei Zulassung der Klagsänderung erforderlichen weiteren Erörterungen und Beweisaufnahmen hätten den Rahmen des bisherigen Verfahrens erheblich überstiegen, ist daher nicht zu beanstanden.

 

Mangels Zulässigkeit der Klagsänderung ist auch den zum neuen Vorbringen erstatteten Beweisanträgen des Klägers die Grundlage entzogen.