22.07.2013 Zivilrecht

OGH: Eigentumsübertragung an Liegenschaften, die Zwecken der Religionsausübung dienen

Bei einer Eigentumsübertragung an Liegenschaften, die im Grundbuch eingetragen sind und der Religionsausübung dienen, ist eine Religionsgesellschaft an die Einhaltung der bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen gebunden; eine Eigentumsübertragung durch (bloßen) Kirchenrechtsakt bewirkt sachenrechtlich keine Änderung der Eigentumsverhältnisse und stellt keinen Berichtigungsfall iSd § 136 GBG dar


Schlagworte: Grundbuchsrecht, Berichtigung, Religionsgemeinschaft, Kirchenrecht
Gesetze:

§ 136 GBG, Art 15 StGG, Art 9 EMRK

GZ 5 Ob 203/12g, 06.06.2013

 

Mit der gesetzlichen Anerkennung von „Jehovas Zeugen in Österreich“ wurden die „Königreichssaalvereine“ aufgelöst und die Religionsgemeinschaft „Jehovas Zeugen in Österreich“ beantragte gem § 136 GBG, die Bezeichnung des Liegenschaftseigentümers von „Königreichsaalverein der Zeugen Jehovas“ auf „Jehovas Zeugen in Österreich“ zu berichtigen.

 

OGH: Die Begrenzung der den anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften zukommende Autonomie in inneren Angelegenheiten durch die staatliche Rechtsordnung gebietet, wenn nicht der innerste Kern der kirchlichen Autonomie betroffen ist, eine Abwägung zwischen einem sachlich begründeten Schutzbedürfnis der Religionsgesellschaften einerseits und den von der Rechtsordnung anerkannten Interessen des Staates an der Geltung und Einhaltung von bestehenden rechtlichen Regelungen andererseits. Je mehr der Kernbereich verlassen wird, desto mehr stellen Bestimmungen der staatlichen Rechtsordnung potentielle Schranken dar, wenn das durch sie geschützte Rechtsgut im Verhältnis zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gleich- oder höherrangig ist.

 

Eine interne Entscheidung einer Religionsgesellschaft über die Verteilung oder Zuweisung kirchlicher Vermögenswerte, insbesondere auch von Liegenschaften, ist als Frage der internen Organisation bzw Vermögensverwaltung staatlicher Einflussnahme entzogen. Davon ist aber jedenfalls die sachenrechtliche (dingliche) Realisierung solcher Vermögenszuweisungen zu unterscheiden. Diese betrifft einen Bereich, der grundsätzlich dem Staat zur Ordnung zugewiesen ist und dessen rechtliche Ausgestaltung sich dem autonomen Bereich der Kirche oder Religionsgesellschaft wesensmäßig entzieht. Die Religionsgemeinschaft begibt sich insoweit in den Bereich staatlicher Rechtsbeziehungen. Das staatliche Regelungsinteresse hat hier ein besonderes Gewicht, weil der angestrebte Eigentumsübergang nicht nur Wirkungen in den kirchlichen Organisationen zeitigt, sondern als Veränderung der Zuordnung eines absoluten Rechts unmittelbar gegenüber jedem Dritten und somit über den kirchlichen Bereich hinaus wirkt.