08.07.2013 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Dienstgeberkündigung bei befristetem Dienstverhältnis

Die Parteien können auch für ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Arbeitsverhältnis die Möglichkeit einer Kündigung vereinbaren, sofern die Dauer der Befristung und die Möglichkeit einer Kündigung in einem angemessenen Verhältnis stehen


Schlagworte: Befristetes Dienstverhältnis, Dienstgeberkündigung, Sittenwidrigkeit, Interessenabwägung
Gesetze:

§ 1158 ABGB, § 19 AngG, § 879 ABGB

GZ 9 ObA 21/13y, 29.05.2013

 

OGH: Zur Ansicht der Beklagten, die für die Zeit der Befristung nach Maßgabe des AngG vereinbarten Kündigungsmöglichkeiten seien nicht sittenwidrig gewesen, haben die Vorinstanzen zutreffend auf die Rsp hingewiesen, dass die Parteien auch für ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Arbeitsverhältnis die Möglichkeit einer Kündigung vereinbaren können, sofern die Dauer der Befristung und die Möglichkeit einer Kündigung in einem angemessenen Verhältnis stehen.

 

Die Vorinstanzen haben berücksichtigt, dass das Dienstverhältnis der Klägerin mit einer Entsendung auf eine Karibikinsel verbunden war, für die sie ihre beiden minderjährigen Kinder mitübersiedelt hatte, dass damit ein hoher Aufwand an Vorkehrungen bei Behörden, Versicherungen, Schulen, Banken etc verbunden war, der eine gewisse Planungssicherheit erforderte und dass das bereits schulpflichtige Kind der Klägerin für die vorgesehenen sechs Monate eine kontinuierliche Schulausbildung mit einem auch in Österreich anerkannten Schuljahreszeugnis erhalten sollte. Wenn sie deshalb zum Ergebnis kamen, dass diese Umstände gewichtiger seien als das Interesse der Beklagten, das Dienstverhältnis zum 31. 5. anstatt zum 2. 7. 2011 beenden zu können, ist diese Interessenabwägung nicht weiter zu beanstanden.

 

Daran ändert auch der Hinweis der Beklagten auf § 25 Abs 9 SchUG nichts, wonach bei der Entscheidung über das Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe ein mindestens fünfmonatiger fremdsprachiger Schulbesuch im Ausland als erfolgreicher Schulbesuch in Österreich gilt. Denn abgesehen davon, dass der Schulbesuch des schulpflichtigen Kindes zum 31. 5. 2011 noch keine fünf Monate gedauert hätte, ist der Klägerin sowohl in organisatorischer als auch in erzieherischer Hinsicht ein Interesse daran zuzugestehen, ihr schulpflichtiges Kind nicht planungswidrig aus einem laufenden Schulsemester herausnehmen und auf eine vorzeitige Rückkehr nach Österreich vorbereiten zu müssen.

 

Das Argument der Beklagten, dass auch aus Arbeitnehmersicht eine über eine Befristung hinausgehende Flexibilität erforderlich gewesen sei, weil ein Probemonat im Winter noch keine Rückschlüsse auf die Erträglichkeit der karibischen Arbeitsbedingungen im Frühjahr/Sommer zulasse, rechtfertigt keine Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers. Ein allfälliger kündigungsbedingter Wegfall eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mag die Klägerin zwar begünstigen, könnte aber ohne weitere Anhaltspunkte die mit einer vorzeitigen Rückkehr verbundenen Nachteile nicht aufwiegen. Worin der Vorteil der Klägerin liegen sollte, dass sie aufgrund der Kündigung vorzeitig aus der ihr zur Verfügung gestellten Dienstwohnung ausziehen musste, ist nicht ersichtlich. Zur von den Vorinstanzen angenommenen Unwirksamkeit der Kündigungsvereinbarung besteht demnach kein Korrekturbedarf.

 

Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die von der Klägerin geltend gemachten Schadenersatzansprüche aus dem vorzeitigen Entzug der Wohnmöglichkeit und des Dienstfahrzeugs nicht als „Auslagenersatz“ iSd vereinbarten Verfallsklausel verfallen. Denn diese Ansprüche resultieren aus der rechtswidrigen vorzeitigen Vertragsbeendigung durch die Beklagte, nicht aber aus der Vertragserfüllung durch die Klägerin. Aus § 1014 ABGB ist hier für die Beklagte nichts zu gewinnen, weil auch in dieser Bestimmung zwischen Aufwands- und Schadenersatz unterschieden wird.

 

Nichts anderes gilt für den pauschalierten Aufwandsersatz, weil die damit abgegoltenen erhöhten Lebenshaltungskosten der Klägerin mit 31. 5. 2011 nicht weggefallen sind. Da der Klägerin die Aufwandsersatzpauschale neben der Wohnmöglichkeit und dem Dienstfahrzeug zustehen sollte, ist nicht erkennbar, warum die genannten Ansprüche nicht kumuliert werden sollten.