OGH: Bankhaftung (hier: intendierter Kauf junger Aktien)
Es ist ein strenger Maßstab an die Sorgfalt anzulegen, die die Bank bei Effektengeschäften gegenüber dem Kunden anzuwenden hat, darf doch der Kunde darauf vertrauen, dass die Bank über spezifisches Fachwissen im Wertpapierhandel verfügt und ihn bei Abschluss und Durchführung solcher Geschäfte umfassend berät
§§ 1295 ff ABGB
GZ 9 Ob 16/13p, 29.05.2013
OGH: Bereits in den Verfahren 1 Ob 106/09h und 2 Ob 115/10s ist die Beklagte (dort jeweils Klägerin und Widerbeklagte) bei vergleichbarem Sachverhalt mit ihrem Einwand, die Streitteile hätten einen Kaufvertrag (Festpreisgeschäft) abgeschlossen, nicht durchgedrungen. Die getroffene Vereinbarung wurde angesichts der Umstände und der geführten Gespräche als Geschäftsbesorgungsvertrag qualifiziert, in dessen Rahmen sich die (hier) Beklagte verpflichtete, für den (hier) Kläger Aktien der S AG (kurz: AG) zu erwerben. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, (auch) hier liege ein Kommissionsvertrag vor, weil der Kläger der Beklagten den Auftrag zum Erwerb von Aktien erteilt habe, ist daher nicht korrekturbedürftig. Führt die Bank den An- oder Verkauf von Wertpapieren durch, ist sie zur Einhaltung der Wohlverhaltensregeln des WAG verpflichtet. Im Übrigen treffen die Bank auch als Eigenhändler wegen ihrer besonderen Vertrauensstellung (und der starken Parallelen zwischen Selbsteintritt und Kaufvertrag) verstärkte Schutz- und Treuepflichten bei Vertragsschluss. Der von der Beklagten begehrten ergänzenden Feststellungen zu den noch bis zum Jahr 2007 in Geltung gestandenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bankgeschäfte (Z 63 Abs 1 und 2) bedarf es daher nicht.
Die Beurteilung der Beratungs- und Aufklärungspflichten von Banken ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls. Gegenteiliges gilt nur dann, wenn eine grobe Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste. Dies ist hier nicht der Fall. Die von der Beklagten dennoch als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob bzw in welchen Fällen Banken über Handelsspannen und/oder von dritter Seite zugesagter Entgelte aufzuklären hätten, muss - wie in 2 Ob 115/10s - auch im vorliegenden Fall nicht beantwortet werden. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, die Beklagte hätte in den mit dem Kläger vor dessen Veranlagungsentscheidung geführten Gesprächen nicht den Eindruck vermitteln dürfen, der Kläger könne junge Aktien eines aufstrebenden Unternehmens im Rahmen einer Kapitalerhöhung kaufen. Die Beklagte hätte nicht verschweigen, sondern darüber aufklären müssen, dass der Kläger tatsächlich nicht junge Aktien, sondern Aktien zum Stückpreis von 5,75 EUR kaufe, die sie selbst um 5,25 EUR von einer zwischengeschalteten Gesellschaft gekauft habe, die wiederum selbst junge Aktien zum Stückpreis von 1 EUR gezeichnet bzw unter Berücksichtigung eines der AG gewährten nicht rückzahlbaren Gesellschaftszuschusses von rund 8 Mio EUR rein rechnerisch um ca 2,50 EUR pro Aktie erworben habe. Entsprechend der Information des Beraters der Beklagten sei der Kläger davon ausgegangen, dass der von ihm auf ein Treuhandkonto der Beklagten eingezahlte Kaufpreis direkt der AG zukommen werde. Hätte der Kläger gewusst, dass andere Investoren die Möglichkeit haben werden, Aktien um 1 EUR pro Stück zu erwerben, hätte er von der Veranlagung Abstand genommen. Diese rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der stRsp des OGH, wonach ein strenger Maßstab an die Sorgfalt anzulegen ist, die die Bank bei Effektengeschäften gegenüber dem Kunden anzuwenden hat, darf doch der Kunde darauf vertrauen, dass die Bank über spezifisches Fachwissen im Wertpapierhandel verfügt und ihn bei Abschluss und Durchführung solcher Geschäfte umfassend berät. Die aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls eine Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflichten der beklagten Bank bejahende Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist daher jedenfalls vertretbar.
Die in der Revision zitierte Entscheidung des deutschen BGH (XI ZR 367/11 vom 16. 10. 2012), eine Bank, die eigene Anlageprodukte empfehle oder fremde Anlageprodukte im Wege des Eigengeschäfts zu einem über den Einkaufspreis liegenden Preis veräußere, sei grundsätzlich nicht verpflichtet, ihre Kunden darüber aufzuklären, dass sie mit diesen Produkten Gewinne erziele, geht am gegenständlichen Problem vorbei, weil die Beklagte dem Kläger fälschlich den Kauf von jungen Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung zugesagt hat.