OGH: Zum Begriff der Stehtage im Frachtrecht
Der Begriff des „Standgeldes“ wurde im § 412 des deutschen HGB festgelegt, jedoch ergibt sich der Inhalt des Begriffes der Stehtage aus der Auslegung der im Vertrag vereinbarten Standgeldklausel
§ 914 ABGB, § 346 UGB, § 412 dHGB
GZ 7 Ob 45/13p, 17.04.2013
OGH: Der Begriff Standgeld kommt weder im UGB, noch in anderen für den Transport wesentlichen Bestimmungen (zB CMR) vor. Zwar wurde der Begriff „Standgeld“ in § 412 Abs 3 dHGB idF des (deutschen) Transportrechtsreformgesetzes vom 25. 6. 1998 aufgenommen, jedoch deckt sich diese Begriffsbestimmung weder mit dem allgemeinen Sprachgebrauch noch mit dem Verständnis, das hier redliche Vertragsparteien unter Beachtung der Verkehrssitte der vereinbarten Standgeldklausel zu Grunde legen. Nach § 412 Abs 3 dHGB handelt es sich beim Standgeld um die angemessene Vergütung, die der Frachtführer verlangen kann, wenn er über die vereinbarte und/oder angemessene Lade- oder Entladungszeit hinaus an der Lade- oder Entladestelle warten muss. Nach deutschem Recht begründen Verzögerungen während der Beförderung bis zum Zeitpunkt der Ablieferung, wie etwa Verzögerungen beim Überschreiten einer Grenze, keinen Anspruch auf Standgeld.
Durch die Formulierung in der hier zu interpretierenden Klausel, dass 48 Stunden für die Be- und Entladung (inklusive Zollformalitäten) in GUS Staaten standgeldfrei sind, und darüber hinaus pro angefangenen 24 Stunden die Klägerin ein bestimmtes Entgelt verrechnet, wird klargestellt, dass damit das Standgeld nicht nur dann zusteht, wenn die darin genannte Lade- oder Entladezeit überschritten wurde, sondern auch dann, wenn die Stehzeit durch Beförderungs- und Ablieferungshindernisse verursacht wird. Damit kann die eingeschränkte gesetzliche Definition in § 412 Abs 3 dHGB schon aus diesem Grund nicht zur Auslegung der hier zu beurteilenden Standgeldklausel herangezogen werden.
Entgelt für Stehzeiten des Frachtführers (Standgeld) steht nach der Standgeldklausel dann zu, wenn die über die vereinbarte Zeit hinausgehende Wartezeit des Transportfahrzeugs auf Umständen beruht, die nicht in der Sphäre des Frachtführers liegen. Dieses Verständnis entspricht sowohl dem Unternehmensbrauch (§ 346 UGB) als auch dem redlichen Verständnis der Vertragsparteien (§ 914 ABGB).