24.06.2013 Zivilrecht

OGH: Zur Frage der Anwendbarkeit des KSchG auf Bestandverträge, die vor seinem Inkrafttreten abgeschlossen wurden

Das KSchG ist auf Bestandverträge, die vor seinem Inkrafttreten abgeschlossen wurden, nicht anzuwenden (ausdrücklich gegenteilig zu 2 Ob 73/10i); daher können auch (erstmals) dem KSchG innewohnende Wertungen bei der Prüfung einer Mietvertragsbestimmung nicht berücksichtigt werden, weil dies ebenso einer - ausdrücklich ausgeschlossenen - Rückwirkung gleichkäme


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Rückwirkung auf Bestandverträge vor Inkrafttreten
Gesetze:

§ 5 ABGB, § 38 KSchG, § 39 KSchG

GZ 3 Ob 234/12a, 13.03.2013

 

Die Kl ist Eigentümerin einer Liegenschaft und hat als Vermieterin mit dem Bekl als Mieter am 24. Juni 1974 einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen. Dieser Mietvertrag hat folgenden auszugsweisen Inhalt:

 

„§ 3. Mietzins …

11. Die Aufrechnung von Gegenforderungen gegen den Mietzins oder die Zuschläge zum Mietzins ist ausgeschlossen.“

OGH: Den vom Bekl erhobenen Gegenforderungen hielt die Kl den in § 3.11. des Mietvertrags vorgesehenen Ausschluss der Aufrechnung von Gegenforderungen gegen den Mietzins entgegen, den der Bekl in der Revision als nicht rechtswirksam ansieht, weil eine analoge Anwendung von § 6 Abs 1 Z 8 KSchG geboten sei.

 

Nach § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück. Diese Bestimmung wird als Zweifelsregel verstanden, nach der die Rückwirkung von (materiell-rechtlichen) Gesetzen in die Zeit vor ihrem Inkrafttreten grundsätzlich ausgeschlossen, aber durch eine - verfassungsrechtlich nicht jedenfalls ausgeschlossene - Rückwirkungsanordnung als lex specialis durchbrochen werden kann. Bei Dauerrechtsverhältnissen ist neues materielles Recht, sofern der Gesetzgeber nicht ausdrücklich anderes verfügte oder der besondere Charakter einer zwingenden Norm deren rückwirkende Anordnung verlangt, nicht anzuwenden, wenn der zu beurteilende Sachverhalt vor Inkrafttreten der neuen Bestimmungen endgültig abgeschlossen worden ist.

 

Das KSchG BGBl 1979/140 trat mit 1. Oktober 1979 in Kraft (§ 38); dessen generelle Übergangsbestimmung (§ 39) lautet: „Dieses Bundesgesetz ist auf Verträge, die vor seinem Inkrafttreten geschlossen wurden, nicht anzuwenden.“ Damit werden alle Altverträge explizit und einheitlich vom Anwendungsbereich des KSchG ausgenommen; nach den Gesetzesmaterialien aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, was im Hinblick auf den dem Vertragsrecht immanenten Vertrauensgrundsatz auch sachgerecht erscheint. Diese einheitliche intertemporale Anknüpfung für Ziel- und Dauerschuldverhältnisse nach dem Datum ihres Abschlusses stellt eine spezielle Regelung dar, die die eine Rückwirkung ausschließende Zweifelsregel des § 5 ABGB bestätigt und eine Anwendung von Bestimmungen des KSchG auf den vorliegenden Mietvertrag vom 24. Juni 1974 ungeachtet seiner Qualität als Dauerschuldverhältnis ausschließt. Der gegenteiligen, zu 2 Ob 73/10i vertretenen Ansicht vermag sich der erkennende Senat daher nicht anzuschließen.

 

Daher können auch (erstmals) dem KSchG innewohnende Wertungen bei der Prüfung dieser Bestimmung des Mietvertrags nicht berücksichtigt werden, weil dies ebenso einer - ausdrücklich ausgeschlossenen - Rückwirkung gleichkäme.