05.06.2013 Steuerrecht

VwGH: Wiederaufnahme des Verfahrens – keine Wiederaufnahme aus Gründen der Billigkeit und Zweckmäßigkeit, wenn die steuerlichen Auswirkungen geringfügig sind?

Der VwGH hat im Erkenntnis vom 22. April 2009, 2006/15/0257, zu Recht erkannt, dass eine Steuererhöhung von 1.010,15 EUR und eine Gewinnerhöhung von 29.234,90 EUR im Jahr 1999 weder absolut noch relativ geringfügig ist; der VwGH hat auch wiederholt ausgesprochen, dass bei mehreren Verfahren die steuerlichen Auswirkungen nicht je Verfahren, sondern insgesamt zu berücksichtigen sind


Schlagworte: Wiederaufnahme, Neuhervorkommen von Tatsachen / Beweismitteln, geringfügige Auswirkungen
Gesetze:

§ 303 BAO

GZ 2009/15/0016, 26.02.2013

 

Der Bf trägt vor, dass er in den Einkommensteuererklärungen 1997 bis 2000 alles offen gelegt habe. Hätte das Finanzamt Zweifel an der Anerkennung der Ausbildungskosten gehabt, so hätte durch ein "Ergänzungsansuchen" die Abzugsfähigkeit 1997 bis 2000 leicht nachgewiesen werden können. "Im vorliegenden Fall kann die spezielle Berufsausbildung (betriebswirtschaftliche Spezialisierung auf die 'Betriebswirtschaftslehre der Klein- und Mittelbetriebe' sowie auf 'Unternehmensführung'; siehe die Lehrveranstaltungen und Prüfungen auf dem Erfolgsnachweis der WU (W)) nicht im Einzugsbereich des Wohnortes erlangt werden, da diese Spezialisierungen an der (Universität L) zumindest im Zeitraum 1997 - 2000 nicht angeboten wurden."

 

VwGH: Nach der stRsp des VwGH ist das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln" bezieht sich damit auf den Wissensstand (insbesondere auf Grund der Abgabenerklärungen und der Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel ist allein aus der Sicht des von der zuständigen Behörde (der abgabenfestsetzenden Stelle) geführten konkreten Verfahrens zu beurteilen.

 

Den im Erstverfahren allein vorliegenden Abgabenerklärungen des Bf (inklusive der Beilagen) war der Ausbildungsort des Sohnes (1997 bis 2000) und der Umstand, dass er ua an der Wirtschaftsuniversität W (1998 bis 2000) ein Studium absolviert habe, zu entnehmen. Die Studienrichtung wurde nicht offen gelegt, was - worauf das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung betreffend die Jahre 1997 bis 2000 zutreffend hingewiesen hat - insoweit von Bedeutung ist, als die Wirtschaftsuniversität W auch Studienrichtungen anbietet, die an der im Einzugsbereich des Wohnortes liegenden Universität L nicht angeboten werden. Von einer vollständigen Offenlegung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts kann folglich keine Rede sein. Was das Beschwerdevorbringen betrifft, die Universität L. habe die "Spezialisierung auf die 'Betriebswirtschaftslehre der Klein- und Mittelbetriebe' sowie auf Unternehmensführung" im Streitzeitraum nicht angeboten, wird auf das im Verfahren vor dem VwGH geltende Neuerungsverbot sowie auf das Erkenntnis vom 24. Mai 2012, 2008/15/0169, verwiesen.

 

Auch die Rüge, dass nach stRsp keine Wiederaufnahme aus Gründen der Billigkeit und Zweckmäßigkeit vorzunehmen sei, wenn die steuerlichen Auswirkungen absolut und / oder relativ geringfügig seien, ist nicht berechtigt.

 

Der VwGH hat im Erkenntnis vom 22. April 2009, 2006/15/0257, zu Recht erkannt, dass eine Steuererhöhung von 1.010,15 EUR und eine Gewinnerhöhung von 29.234,90 EUR im Jahr 1999 weder absolut noch relativ geringfügig ist. Der VwGH hat auch wiederholt ausgesprochen, dass bei mehreren Verfahren die steuerlichen Auswirkungen nicht je Verfahren, sondern insgesamt zu berücksichtigen sind. Die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 1997 bis 2000 wurde unter "Bedachtnahme auf die sich ergebende jährliche Auswirkung von 654 EUR" verfügt. Die aus der Wiederaufnahme resultierende Steuererhöhung beträgt in Summe 2.616 EUR und ist damit weder absolut noch relativ geringfügig.