OGH: Ermittlung fremden Rechtes iSd § 4 IPRG
Die amtswegige Ermittlungspflicht besteht nicht unbeschränkt; sie ist insbesondere an die jeweiligen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten und Schranken gebunden, wobei die Angemessenheit der Frist von der Dringlichkeit des einzelnen Falls abhängt; in nicht dringlichen Fällen darf die Frist nicht zu knapp bemessen werden, die sofortige Anwendung österreichischen Rechts ohne vorherige ernsthafte Bemühung, das bedeutsame ausländische Sachrecht zu ermitteln, ist unzulässig
§ 4 IPRG
GZ 4 Ob 225/12k, 19.03.2013
OGH: Entgegen der von der Beklagten weiterhin vertretenen Ansicht, das Verfahren sei im Hinblick auf die von Amts wegen zu ermittelnde, für die Beurteilung der Unterhaltsvereinbarung der Streitteile maßgebliche chinesische Rechtslage nach wie vor mangelhaft geblieben, ist der Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen, dass in diesem Fall gem § 4 Abs 2 IPRG österreichisches Recht anzuwenden ist.
Gem § 4 Abs 2 IPRG ist das österreichische Recht anzuwenden, wenn das fremde Recht trotz eingehendem Bemühen innerhalb angemessener Frist nicht ermittelt werden kann. Die amtswegige Ermittlungspflicht besteht nicht unbeschränkt; sie ist insbesondere an die jeweiligen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten und Schranken gebunden, wobei die Angemessenheit der Frist von der Dringlichkeit des einzelnen Falls abhängt. In nicht dringlichen Fällen darf die Frist nicht zu knapp bemessen werden, die sofortige Anwendung österreichischen Rechts ohne vorherige ernsthafte Bemühung, das bedeutsame ausländische Sachrecht zu ermitteln, ist unzulässig. Die Abwägung des Berufungsgerichts, wonach der Streitwert von unter 4.000 EUR und die bisherige lange Verfahrensdauer, insbesondere die zeitraubenden Bemühungen, zumindest eine Auskunft des Vertrauensanwalts der österreichischen Botschaft in Peking einzuholen, dafür sprechen, ungeachtet der geringeren Dringlichkeit des zu beurteilenden Regressanspruchs va im Hinblick auf das zu erwartende Missverhältnis zwischen den zu erwartenden Verfahrenskosten und dem maßgeblichen Streitwert von weiteren Versuchen abzusehen, die an sich maßgebliche chinesische Rechtslage weiter zu erforschen, ist nicht zu beanstanden.
Die Beklagte legt zwar zutreffend dar, dass die in den Vorentscheidungen referierte Auskunft der österreichischen Botschaft in Peking über die chinesische Rechtslage unzureichend ist, weil aus ihr die Beantwortung der Frage, ob die Vereinbarung der Streitteile gültig ist, auf die das Klagebegehren gestützt wird, nicht abschließend beurteilt werden kann, im Hinblick auf die bisherige Verfahrensdauer von mehr als neun Jahren, wovon fast vier Jahre auf die Einholung der Auskunft über das chinesische Recht entfallen, ist von weiteren Bemühungen, die Rechtslage im Hinblick auf die Praxis der Gerichte in vergleichbaren Fällen abzuklären, Abstand zu nehmen.