VwGH: Rückforderung von Arbeitslosengeld / Notstandshilfe – unwahre Angaben / Verschweigung maßgebender Tatsachen iSd § 25 Abs 1 AlVG
Es kommt beim Rückforderungstatbestand des § 25 Abs 1 erster Satz Fall 1 und 2 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigen maßgebender Tatsachen) nach dem offenkundigen Zweck der Norm nicht darauf an, dass ein die Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder von der Behörde hätte leicht festgestellt werden können, so wie überhaupt ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgeblichen Tatsachen oder unwahrer Angaben im Antragsformular ohne Belang ist
§ 25 AlVG, § 38 AlVG
GZ 2010/08/0118, 14.11.2012
Die Bf wendet sich gegen die Rückforderung der zuerkannten Notstandshilfe gem § 25 Abs 1 AlVG. Sie bestreitet, dass die Leistung durch unwahre Angaben oder Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt worden sei. Die Bf habe die Lebensgemeinschaft bei ihrer Antragstellung (auf Arbeitslosengeld) im März 2009 angeführt. Bei der Antragstellung von Notstandshilfe im Dezember 2009 habe sie angegeben, dass diese Lebensgemeinschaft seit November 2009 nicht mehr bestehe. Damit habe sie in ihrem Folgeantrag deutlich ihre Sicht der Umstände bekannt gegeben.
VwGH: Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Bf von dem von der belBeh festgestellten Sachverhalt. Zwar hat die Bf in ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 11. März 2009 noch angegeben, in einer Lebensgemeinschaft mit G.S. zu stehen. Im verfahrensgegenständlichen Antrag auf Notstandshilfe mit Geltendmachungsdatum 31. Dezember 2009 hat sie jedoch im Feld "Familienstand" keine Lebensgemeinschaft angegeben und auch die Frage "In meinem Haushalt leben Angehörige." mit "nein" beantwortet. Weitere Hinweise, die auf das Bestehen einer Lebensgemeinschaft schließen ließen und die Behörde daher zu weiteren Ermittlungen veranlassen hätten können, finden sich im Antragsformular nicht. Erst in der Niederschrift vor der regionalen Geschäftsstelle des AMS M vom 10. Februar 2010 hat die Bf weitere Angaben zur Lebensgemeinschaft mit G.S. gemacht.
Der Rückforderungstatbestand "unwahre Angaben" des § 25 Abs 1 AlVG liegt jedenfalls dann vor, wenn die Behörde in einem Antragsformular eine rechtserhebliche Frage stellt und diese Frage unrichtig oder unvollständig beantwortet wird. Da die Angaben zur Geltendmachung einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Antragsformular die Behörde in die Lage versetzen sollen, ihrerseits zu beurteilen, ob ein Anspruch besteht, ist das Risiko eines Rechtsirrtums, aus dem ein Antragsteller meint, die darin gestellten Fragen nicht vollständig oder richtig beantworten zu müssen, von ihm zu tragen. Es kommt daher beim Rückforderungstatbestand des § 25 Abs 1 erster Satz Fall 1 und 2 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigen maßgebender Tatsachen) nach dem offenkundigen Zweck der Norm nicht darauf an, dass ein die Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder von der Behörde hätte leicht festgestellt werden können, so wie überhaupt ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgeblichen Tatsachen oder unwahrer Angaben im Antragsformular ohne Belang ist. Maßgeblich ist nur, ob der fragliche Umstand in Beantwortung der Fragen im Antragsformular richtig und vollständig einbekannt oder dem AMS gleichzeitig oder doch rechtzeitig vor Anweisung des jeweiligen Leistungsanspruchs in einer zumindest gleichwertigen Weise (zB durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung) mitgeteilt wurde.
Dass die Bf in ihrem Antrag auf Notstandshilfe die gleiche Wohnadresse wie in ihrem früheren Antrag auf Arbeitslosengeld - in welchem sie die Lebensgemeinschaft mit G.S. noch anführte - angegeben hat, stellte jedenfalls keine vollständige Angabe über das Weiterbestehen der Lebensgemeinschaft dar, da die Behörde nur durch weitere amtswegige Nachforschungen - über die Angaben im Antragsformular hinaus - das Fortbestehen der Lebensgemeinschaft ermitteln hätte können. Auch dass die Bf selbst von einer Beendigung der Lebensgemeinschaft ausgegangen sein mag und deswegen eine Angabe im Antragsformular unterlassen hat, begründet keine unverschuldete Unkenntnis des Weiterbestehens der Lebensgemeinschaft, da die Bf auch aus laienhafter Sicht bei der gegebenen Sachlage zumindest Indizien für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft hätte erkennen müssen, die eine Rücksprache beim AMS notwendig gemacht hätten, sodass ein allfälliger Irrtum darüber zu ihren Lasten geht.
Somit erweist sich die Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Notstandshilfe gem § 25 Abs 1 AlVG als unbedenklich.