04.03.2013 Zivilrecht

OGH: § 140 ABGB – zur Frage, ob ein österreichischer Dienstnehmer den von ihm selbst an die Sozialversicherung geleisteten Dienstgeberanteil vom ausländischen Dienstgeber zurückfordern kann und wie sich dies - gegebenenfalls - auf die Unterhaltsbemessung auswirkt

Geht man mit der Lehre davon aus, dass die Dienstgeberanteile zur Sozialversicherung im Fall der Pflichtversicherung nicht zum (Brutto-)Entgelt zählen, hat der Antragsteller Anspruch auf Rückerstattung der von ihm für den Dienstgeber abgeführten Sozialversicherungsbeiträge; die Anspruchsgrundlage hiefür ergibt sich aus § 1042 ABGB, weil es sich letztlich um einen auf ihn übergeleiteten öffentlich-rechtlichen Anspruch handelt; bei der Ermittlung des Nettoeinkommens sind daher weder der Dienstgeber- noch der Dienstnehmerbeitrag abzuziehen


Schlagworte: Familienrecht, Unterhalt, Bemessung, ausländischer Dienstgeber, vom Diensnehmer geleisteter Dienstgeberanteil
Gesetze:

§ 140 ABGB, § 53 ASVG, § 1042 ABGB

GZ 7 Ob 28/12m, 19.12.2012

 

OGH: Für den vorliegenden Fall ist die Bestimmung des § 53 Abs 3 lit a ASVG maßgebend, wonach ein Dienstnehmer mit österreichischer Staatsangehörigkeit - wie der Antragsteller - die Beiträge zur Gänze zu entrichten hat, wenn die Beiträge vom Dienstgeber, der die Vorrechte der Exterritorialität genießt oder dem iZm einem zwischenstaatlichen Vertrag oder der Mitgliedschaft Österreichs bei einer internationalen Organisation besondere Privilegien oder Immunitäten eingeräumt sind, nicht entrichtet werden.

 

Im Anwendungsbereich des § 53 Abs 3 lit a ASVG sind daher zwei - hier offenbar erfüllte - Voraussetzungen erforderlich, damit sowohl Beitragspflicht als auch Beitragsschuld auf den Dienstnehmer übergehen:

 

Der Dienstgeber muss zum einen die Vorrechte der Exterritorialität oder die sonstigen, im Gesetz genannten Privilegien genießen und zum anderen die (gesamten) Beiträge (Beitragsschulden gem § 58 Abs 2 ASVG) an den Sozialversicherungsträger auf Grund seiner Sonderstellung nicht entrichten. Dabei reicht eine vom Dienstgeber gegenüber dem Dienstnehmer eingegangene Verpflichtung, die auf den Dienstgeber entfallenden Anteile der Beitragslast dem Dienstnehmer rückzuvergüten, nicht aus, um die Anwendung des § 53 Abs 3 lit a ASVG auszuschalten. Auch bei einer Refundierungszusage des Dienstgebers hat der Dienstnehmer die gesamten Beiträge selbst zu zahlen.

 

In Umkehrung der Kostentragungsregel des § 51 Abs 3 ASVG, wonach bestimmte Anteile des allgemeinen Beitrags in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung „unbeschadet des § 53 ASVG“ auf den Versicherten und den Dienstgeber entfallen, wird hier der auf den Dienstgeber entfallende Beitragsteil auf den Dienstnehmer überwälzt. Dabei stellt § 53 Abs 3 lit a ASVG trotz des Gebrauchs der Wendung „der Dienstnehmer hat ... zu entrichten“ primär eine Durchbrechung der grundsätzlichen Beitragslast nach § 51 Abs 3 ASVG und erst in Konsequenz dessen, dass unter den Voraussetzungen des § 53 Abs 3 lit a ASVG den Dienstnehmer die gesamte Beitragslast trifft, auch eine solche der Regelung des § 58 Abs 2 ASVG über die Beitragsschuld dar.

 

Der Rechtsmittelwerber beruft sich darauf, dass seine Tätigkeit als Chauffeur darin bestehe, Hoheitsträger zu Terminen zu führen, bei denen sie hoheitlich tätig würden. Eine Einschränkung seiner Tätigkeit würde die saudi-arabische Botschaft in ihrer diplomatischen Funktion einschränken. Auch wenn sein Dienstvertrag mit der Botschaft privatrechtlicher Natur sein sollte, bestehe daher hinsichtlich seiner Tätigkeit die Immunität von Saudi-Arabien bzw der saudi-arabischen Botschaft. Auf Grund der Immunität könne er einen Anspruch auf Bezahlung der Dienstgeberbeiträge zu seiner Sozialversicherung, soweit ein solcher überhaupt bestehen sollte, nicht vor österreichischen Arbeitsgerichten durchsetzen. Bei der Ermittlung des Nettoeinkommens seien sowohl der Dienstgeber- als auch der Dienstnehmerbeitrag, insgesamt somit 491,88 EUR vom Bruttoeinkommen des Antragstellers (iHv 1.250 EUR) abzuziehen, woraus sich ein monatliches Nettoeinkommen von 758,12 EUR ergebe.

 

Nach stRsp des OGH kann ein ausländischer Staat (hier: Saudi-Arabien) etwa bei Abschluss eines Arbeitsvertrags über im Inland zu verrichtende Arbeit als Privatrechtsträger auch im Inland aus diesem Arbeitsverhältnis belangt werden; dabei ist nicht auf den Zweck der Arbeiten, sondern auf die Erbringung der Arbeitsleistungen an sich abzustellen. Hinsichtlich der Rechtsstreitigkeiten aus Privatrechtsverhältnissen (acta iure gestionis) besteht für ausländische Staaten daher keine Exemption.

 

Nichts anderes kann für die allein privatrechtlich zu beurteilende Frage der Rückforderung der vom Dienstnehmer (zunächst) allein getragenen Dienstgeberanteile zur Sozialversicherung gelten. Im vorliegenden Fall stellt sich daher die Frage, wie der Begriff „Brutto“ in der dem verfahrenseinleitenden Antrag beigehefteten Bestätigung des saudi-arabischen Dienstgebers zu verstehen ist, wonach der Antragsteller „ein Gehalt von 1.250 Euro Brutto (12 mal im Jahr) bekommen wird“; der dieser Bestätigung zugrunde liegende Dienstvertrag ist dem Akt nämlich nicht zu entnehmen.

 

Geht man mit der Lehre davon aus, dass die Dienstgeberanteile zur Sozialversicherung im Fall der Pflichtversicherung nicht zum (Brutto-)Entgelt zählen, hat der Antragsteller Anspruch auf Rückerstattung der von ihm für den Dienstgeber abgeführten Sozialversicherungsbeiträge. Die Anspruchsgrundlage hiefür ergibt sich aus § 1042 ABGB, weil es sich letztlich um einen auf ihn übergeleiteten öffentlich-rechtlichen Anspruch handelt. Zur näheren Klärung dieser Frage ist jedoch erforderlich, dass der Antragsteller den Dienstvertrag vorlegt.

 

Sollte die Bestätigung hingegen so zu verstehen sein, dass der Antragsteller mit diesem „Brutto“-Gehalt tatsächlich auch die Dienstgeberanteile zu tragen hat, sodass er weit unter 1.250 EUR (netto) verdient, stellt sich die (weiter zu erörternde) Frage, ob er nicht ohnehin auf das vom Erstgericht angenommene Nettoeinkommen anzuspannen ist.