25.02.2013 Zivilrecht

OGH: Formalvollmacht iSd § 20 WEG 2002 und Vollmachtsüberschreitung

Die Vertretungsbefugnis des Verwalters von Wohnungseigentum umfasst - ohne die Einschränkung des § 1029 ABGB - alle Angelegenheiten, die die Verwaltung der Liegenschaft - von Missbrauchsfällen abgesehen - mit sich bringt; die Vollmacht eines Verwalters von Wohnungseigentum ist eine nach außen hin unbeschränkte und unbeschränkbare Formalvollmacht und ähnelt einer organschaftlichen Vertretung; im Außenverhältnis ist es daher gleichgültig, ob eine ordentliche oder außerordentliche Verwaltungsmaßnahme vorliegt


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Aufgaben und Befugnisse des Verwalters, Verwaltervollmacht, Vollmachtsüberschreitung, Missbrauch
Gesetze:

§ 20 WEG 2002, §§ 1002 ff ABGB, § 1029 ABGB, § 1016 ABGB, § 1017 ABGB, § 29 WEG 2002

GZ 10 Ob 44/12m, 29.01.2013

 

OGH: Gem § 20 Abs 1 WEG 2002 steht dem Verwalter die Verwaltung der Liegenschaft und dabei insbesondere auch die Vertretung der Eigentümergemeinschaft nach außen zu. Die Vertretungsbefugnis des Verwalters von Wohnungseigentum umfasst - ohne die Einschränkung des § 1029 ABGB - alle Angelegenheiten, die die Verwaltung der Liegenschaft - von Missbrauchsfällen abgesehen - mit sich bringt. Sie umfasst nicht nur die ordentliche Verwaltung, sondern auch außerordentliche Maßnahmen, insbesondere auch die Vornahme größerer Instandhaltungs- und Verbesserungsarbeiten und die Aufnahme von Darlehen zur Finanzierung solcher Arbeiten.

 

Die Vollmacht eines Verwalters von Wohnungseigentum ist eine nach außen hin unbeschränkte und unbeschränkbare Formalvollmacht und ähnelt einer organschaftlichen Vertretung. Im Außenverhältnis ist es daher gleichgültig, ob eine ordentliche oder außerordentliche Verwaltungsmaßnahme vorliegt. Agiert der Verwalter im Bereich der außerordentlichen Verwaltung ohne die erforderliche Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer iSd § 29 Abs 1 WEG 2002 oder im Bereich der ordentlichen Verwaltung gegen den Willen der Eigentümer, sind seine Vertretungsakte aufgrund der Formalvollmacht des § 20 WEG 2002 dennoch wirksam. Verwalterhandlungen sind - ebenso wie deren Unterlassung - der Eigentümergemeinschaft zuzurechnen.

 

Ob im vorliegenden Fall das 2009 aufgenommene Darlehen eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung darstellt, oder die Darlehensaufnahme nicht (mehr) innerhalb der von § 28 Abs 1 Z 3 WEG 2002 umschriebenen Grenzen erfolgt ist, weil zuvor eine neuerliche (zweite) Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft erforderlich gewesen wäre, macht demnach den Vertretungsakt nach außen nicht unwirksam.

 

Die zwar im Rahmen der Vollmacht gelegene, aber den Auftrag überschreitende Vertretungshandlung wäre dann ungültig, wenn ein Missbrauchsfall vorläge - etwa ein bei der Darlehensaufnahme vorgelegenes absichtliches Zusammenwirken des Bankunternehmens mit dem Hausverwalter in Schädigungsabsicht der beklagten Eigentümergemeinschaft. Dem wäre gleichzuhalten, wenn der Vertreter mit Wissen des Dritten bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelte oder der Missbrauch sich dem Dritten geradezu aufdrängen musste. Derartige Missbrauchshandlungen sind weder behauptet worden noch hervorgekommen.

 

Die Vorinstanzen haben überdies auch eine Überschreitung der Verwaltervollmacht nach § 20 WEG verneint, die nach dem Standpunkt der Revisionswerberin darin gelegen sein soll, dass das 2009 aufgenommene Darlehen allein dazu gedient habe, um einen von der Hausverwalterin ursprünglich im eigenen Namen aufgenommenen Kredit abzudecken.

 

§ 20 Abs 1 WEG umfasst die Verpflichtung, gemeinschaftsbezogene Interessen aller Wohnungseigentümer bei der Verwaltung der Liegenschaft zu wahren. Maßgeblich ist, ob ein Zusammenhang mit der dem Verwalter übertragenen Geschäftsbesorgung besteht. Eine Vollmachtsüberschreitung liegt ua dann vor, wenn der Verwalter eigene Interessen verfolgt, etwa das Interesse, eine gegen ihn gerichtete Kündigung oder Verwalterabberufung abzuwenden.

 

Ob eine Vollmachtsüberschreitung gegeben ist, kann nur an Hand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden. Eine im vorliegenden Fall den Vorinstanzen unterlaufene Fehlbeurteilung, die ein korrigierendes Eingreifen des OGH erforderlich macht, liegt nicht vor:

 

Obwohl die Hausverwalterin im Jahr 2005 in Entsprechung des Beschlusses der Eigentümerversammlung zur Aufnahme des Sanierungskredits namens der beklagten Partei befugt gewesen wäre, schloss sie den Kreditvertrag im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung. Vertragspartnerin war somit ausschließlich die Hausverwalterin. Der beklagten Partei als Geschäftsherrin konnte der Leistungserfolg des Handelns der Hausverwalterin nur durch ein weiteres Rechtsgeschäft zugewendet werden (mittelbare Stellvertretung). Aus welchen Gründen diese Vorgangsweise gewählt wurde und ob und allenfalls welche Abreden ihr zu Grunde lagen, ist aus den vorhandenen Feststellungen nicht ersichtlich. Erst bei dem aus Anlass der Beendigung der Verwaltervollmacht im Dezember 2009 abgeschlossenen Kreditvertrag trat die Hausverwalterin dann als (direkte) Vertreterin der beklagten Partei auf. Im Hinblick darauf, dass die Hausverwalterin zur Aufnahme des Sanierungskredits namens der beklagten Partei schon im Jahr 2005 befugt gewesen wäre und sie im Jahr 2009 lediglich von der für den Fall der Kündigung der Hausverwaltervollmacht im Kreditvertrag vorgesehenen Option einer Darlehensaufnahme („Überbindung“) Gebrauch gemacht hat, ist es jedenfalls nicht unvertretbar, wenn die Vorinstanzen unter Hinweis auf den unveränderten Kreditzweck (Finanzierung von Sanierungsarbeiten am Wohnungseigentumsobjekt-Projekt) davon ausgingen, dass die Hausverwalterin die iZm der ihr übertragenen Verwaltung verbundenen Aufgaben wahrgenommen und nicht bloß ihre rein eigenwirtschaftlichen Interessen aus Anlass der Beendigung des Bevollmächtigungsverhältnisses verfolgt hat.

 

Ob es zu der im Kreditvertrag 2005 zwecks Sicherstellung vorgesehenen Abtretung der Rechte und Ansprüche gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft gekommen ist, ist nicht maßgeblich.