06.02.2013 Verkehrsrecht

VwGH: Gehbehinderte Personen – Entziehung des Ausweises nach § 29b Abs 1 StVO

Die Fähigkeit zum Zurücklegen einer Strecke von mehr als 300 m ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen schließt eine starke Gehbehinderung iSd § 29b StVO aus, wobei der Umstand, dass dies nur mit Hilfsmitteln (wie etwa einem Gehstock oder orthopädischen Schuhen) möglich ist, die Behinderung nicht zu einer schweren macht; § 29b Abs 1 StVO stellt auf den Wegfall der dauernd starken Gehbehinderung und nicht auf die wesentliche Besserung des Leidenszustandes seit Ausstellung des Ausweises ab


Schlagworte: Straßenverkehrsrecht, gehbehinderte Personen, Entziehung des Ausweises
Gesetze:

§ 29b StVO

GZ 2012/02/0274, 14.12.2012

 

VwGH: Der Gesetzesbegriff der starken Gehbehinderung iSd § 29b Abs 1 StVO stellt darauf ab, ob die betreffende Person in einer als gehend zu qualifizierenden Weise ohne Aufwendung überdurchschnittlicher Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen eine bestimmte Wegstrecke zurücklegen kann. Ist sie dazu in der Lage, so wird eine festgestellte Gehbehinderung nicht als schwer iSd Gesetzes anzusehen sein. Die Fähigkeit zum Zurücklegen einer Strecke von mehr als 300 m ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen schließt eine starke Gehbehinderung iSd Gesetzes aus, wobei der Umstand, dass dies nur mit Hilfsmitteln (wie etwa einem Gehstock oder orthopädischen Schuhen) möglich ist, die Behinderung nicht zu einer schweren macht.

 

Vor dem Hintergrund der nunmehr im angefochtenen Bescheid festgestellten Fähigkeit der Bf, eine Strecke von mehr als 300 m ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen mittels Absatzausgleichs im rechten Schuh ohne Pause und sonstige Hilfsmittel zurücklegen zu können, hat die belangte Behörde zutreffend den rechtlichen Schluss gezogen, dass eine dauernde starke Gehbehinderung iSd § 29b Abs 1 StVO nicht vorliegt.

 

In der Beschwerde wird vorgebracht, ein vor Inkrafttreten der 20. StVO Novelle ausgestellter Ausweis gem § 29b StVO (hier am 29. Dezember 1983) könne nicht nach der auf Grund dieser Novelle dann in Geltung gesetzten Regelung des Abs 1 letzter Satz leg cit entzogen werden.

 

Da sich in der 20. StVO Novelle keinerlei Übergangsbestimmungen zur Neufassung des § 29b StVO finden, ist die belBeh zutreffend von der zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Sach- und Rechtslage ausgegangen. Dies war im Beschwerdefall die Rechtslage auf Basis der 21. StVO Novelle (BGBl I Nr 52/2005).

 

Die Bf behauptet weiter, dass eine Entziehung des Ausweises nur dann gerechtfertigt gewesen wäre, wenn sich ihr Gesundheitszustand seit dem Zeitpunkt der Ausstellung des Ausweises im Jahr 1983 wesentlich gebessert hätte.

 

Soweit die Bf in diesem Zusammenhang auf Details des medizinischen Gutachtens eingeht, ist sie auf die unbekämpft gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid auch festgestellt, dass aus der Zeit der Ausstellung des Ausweises kein detaillierter Untersuchungsbefund und auch keine umfassende Beschreibung des Gehvermögens stattgefunden habe und aus dem aktuell festgestellten Gesundheitszustand der Bf der Schluss gezogen werden müsse, dass sich ihr Zustand derart gebessert habe, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung des Ausweises weggefallen sind.

 

§ 29b Abs 1 StVO stellt auf den Wegfall der dauernd starken Gehbehinderung und nicht auf die wesentliche Besserung des Leidenszustandes seit Ausstellung des Ausweises ab. Die belBeh hat demnach zurecht anhand des Zustandes der Bf im Zeitpunkt der Entscheidung die Entziehung des Ausweises verfügt.