OGH: Annahme des Angebots (durch konkludentes Verhalten) nach Art 18 UNK – zum Zustandekommen eines Kaufvertrags durch Verarbeitung der gelieferten Ware
Beispiele für Verhaltensweisen, die Zustimmung zum Ausdruck bringen und aufgrund der besonderen Voraussetzungen nach Art 18 Abs 3 UNK unmittelbar als Annahme wirken, sind va solche Handlungen, bei denen ein Zugang der damit zum Ausdruck gebrachten Zustimmung regelmäßig nicht für erforderlich gehalten wird, wie zB Verarbeitung der Ware oder Direktleistung an einen Dritten
Art 18 UNK
GZ 1 Ob 215/12t, 13.12.2012
OGH: Nach Art 18 UNK sind drei Annahmeformen zu unterscheiden: 1. ausdrücklich erklärte und zugangsbedürftige Annahme, 2. konkludent erklärte und zugangsbedürftige Annahme und 3. konkludent erklärte und nicht zugangsbedürftige, dh mit dem konkludenten Verhalten wirksame Annahme. Hier ist nur die dritte Annahmevariante von Interesse.
Gem Art 18 Abs 1 erster Satz UNK stellt eine Erklärung oder ein sonstiges Verhalten des Empfängers, das eine Zustimmung zum Angebot ausdrückt, eine Annahme dar. Ein sonstiges Verhalten in diesem Sinn besteht in einer stillschweigenden Zustimmungsäußerung des Annehmenden zum Angebot. Die Zustimmungsäußerung erfolgt hier durch die Vornahme oder Nichtvornahme einer bestimmten Handlung, welche das Einverständnis und den Bindungswillen des Annehmenden ernsthaft und zweifelsfrei zum Ausdruck bringt. Es handelt sich dabei um eine Bestätigung des Vertragswillens durch den Annehmenden. Maßgebend für die Feststellung, ob eine Handlung des Annehmenden ein annahmegleiches Verhalten darstellt oder nicht, ist gem Art 8 UNK der Erkenntnishorizont eines objektiven Dritten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Beispiele für ein solches Verhalten sind der Weiterverkauf unbestellter Ware durch den Käufer und die Verarbeitung der gelieferten Ware durch den Käufer.
Art 18 Abs 3 UNK sieht eine Ausnahme vom Zugangsprinzip für die Zustimmungsäußerung vor: Äußert der Empfänger aufgrund des Angebots, der zwischen den Parteien entstandenen Gepflogenheiten oder der Bräuche seine Zustimmung durch eine Handlung, die sich zB auf die Absendung der Ware oder die Bezahlung des Preises bezieht, ohne den Anbietenden davon zu unterrichten, so ist die Annahme zum Zeitpunkt der Handlung wirksam, sofern diese innerhalb der in Art 18 Abs 2 leg cit vorgeschriebenen Frist vorgenommen wird. Grundlage dafür kann das Angebot selbst, ein internationaler Handelsbrauch oder eine zwischen den Parteien bestehende Gepflogenheit bilden. Verzichtet wird nur auf den Zugang der Annahme, nicht aber auf die Vornahme der Annahmehandlung selbst. Beispiele für Verhaltensweisen, die Zustimmung zum Ausdruck bringen und aufgrund der besonderen Voraussetzungen nach Art 18 Abs 3 UNK unmittelbar als Annahme wirken, sind va solche Handlungen, bei denen ein Zugang der damit zum Ausdruck gebrachten Zustimmung regelmäßig nicht für erforderlich gehalten wird, wie zB Verarbeitung der Ware oder Direktleistung an einen Dritten. Erfüllt die Äußerung des Annehmenden die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit und Rechtzeitigkeit einer Annahme, kommt der Vertrag gem Art 23 UNK zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieser Äußerung zustande. Bei der sog zugangsfreien Annahmehandlung kommt der Vertrag bereits mit der Vornahme der Handlung zustande, weil damit der Tatbestand der Annahme vollendet ist.
Der Beklagte war zwar zunächst mit der Höhe des Kaufpreises des von der Klägerin am 12. 3. 2010 über Bestellung von J gelieferten Isoliermaterials nicht einverstanden, jedoch verwendete er 60 bis 70 % des gelieferten Isoliermaterials etwa innerhalb von zwei bis drei Monaten nach der Anlieferung (Zeitraum zwischen 12. 5. und 12. 6. 2010) für die Baustelle in K. Durch die Verarbeitung des Isoliermaterials akzeptierte er das Kaufanbot der Klägerin. Der Einzelpreis je Laufmeter des Isoliermaterials war ihm bekannt. Verarbeitete er aber den Großteil des von der Klägerin gelieferten Isoliermaterials weiter, so ist dies, jedenfalls unter den hier gegebenen besonderen Umständen, als wirksame Zustimmung zum Abschluss eines Kaufvertrags zu werten. Vom Verständnishorizont eines objektiven Dritten war damit klar, dass der Beklagte ein Erklärungsverhalten setzt, wodurch der Kaufvertrag über das gesamte Isoliermaterial im Zeitraum der Vornahme der Verarbeitung zustande kam. Berücksichtigt man, dass die Lieferung (also das Anbot) genau den der klagenden Partei bekannt gegebenen Bedarf des Beklagten deckte und eine Rechnung mitgeschickt wurde, kann darin ein Verzicht auf die Übermittlung der Annahme gesehen werden.
Die Annahme des Angebots durch den Beklagten erfolgte nach den festgestellten Umständen auch noch „innerhalb einer angemessenen Frist“ (Art 18 Abs 2 zweiter Satz UNK). Die Verarbeitung des Isoliermaterials zwei bis drei Monate nach der Lieferung auf einer Baustelle fand hier unter Berücksichtigung der Umstände des Geschäfts, weil ja die Lieferung der Klägerin für eine (auswärtige) Baustelle des Beklagten an dessen Sitz erfolgte, noch innerhalb angemessener Annahmefrist statt.
Der Kaufvertrag über das Isoliermaterial ist jedenfalls, sobald dieses vom Beklagten großteils bis 12. 6. 2010 verarbeitet wurde, abgeschlossen worden. Gem Art 58 und Art 59 iVm 78 UNK hat der Beklagte ab der Fälligkeit des Kaufpreises Verzugszinsen zu zahlen.