OGH: Zur Frage, ob Standardklauseln in ausverhandelten Bestandverträgen über Bestandobjekte in Einkaufszentren der Überprüfung nach § 879 Abs 3 ABGB unterliegen
Soweit nicht verhandelte und aus der Sicht der Bestandgeberin jedenfalls beizubehaltende Klauseln in Vertragsformularen betroffen sind, liegen Vertragsformblätter iSd § 879 Abs 3 ABGB vor, auch wenn andere Vertragspunkte (hier: den Bestandgegenstand betreffend) erörtert und über Wunsch der Bestandnehmerin abgeändert worden sein sollten
§ 879 ABGB
GZ 7 Ob 93/12w, 28.11.2012
OGH: Was unter dem Begriff „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ (AGB) und „Vertragsformblätter“ zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht definiert. AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. AGB liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Von der Definition sind sowohl Vertragsformblätter als auch AGB umfasst. Eine Differenzierung zwischen diesen ist entbehrlich, weil die rechtlichen Konsequenzen bei Verwendung gesetzwidriger Klauseln gleich sind und der Gesetzgeber sie nur gemeinsam - als Begriffspaar - nennt. Dies bedeutet, dass die Beurteilung als Vertragsformblatt nicht erfordert, dass von ihm alle Vertragsbestandteile umfasst sind. Ein Vertragsformblatt liegt auch dann vor, wenn es sich nur auf Teile des Vertrags oder bestimmte Vertragspunkte bezieht. Diese Auffassung entspricht der LuRsp zum deutschen Recht, das eine teleologische Verwandtschaft zum österreichischen Recht aufweist.
Nach den Feststellungen wurden zwar Teile des Mietvertrags ausverhandelt, die Frage der Kostentragung wurde aber von den Gesprächen nicht berührt und die Klägerin wäre auch von den von ihr in allen Mietverträgen zugrunde gelegten Klauseln nicht abgegangen. Soweit nicht verhandelte und aus der Sicht der Klägerin jedenfalls beizubehaltende Klauseln in Vertragsformularen betroffen sind, liegen Vertragsformblätter iSd § 879 Abs 3 ABGB vor, auch wenn andere Vertragspunkte (hier: den Bestandgegenstand betreffend) erörtert und über Wunsch der Beklagten abgeändert worden sein sollten.